Das Los entscheidet über die Zukunft der Kopten

Ausgerechnet in einer Zeit, in der die Zukunft Ägyptens neu definiert wird, haben die Kopten ihr Oberhaupt verloren. Im Alter von 88 Jahren ist Papst Schenuda III. am 17. März gestorben. Sein Nachfolger muss den Einfluss der Koptisch-orthodoxen Kirche in einem von Islamisten dominierten Ägypten sichern – und zugleich radikale Kräfte in den eigenen Reihen bändigen.

Mehr als vierzig Jahre hat Schenuda III. die Koptisch-orthodoxe Kirche geführt und sie zu einer wichtigen gesellschaftlichen Kraft in Ägypten gemacht. Er galt als ein charismatischer Prediger und gewiefter Politiker, der sich mit den Mächtigen im Staat genauso zu arrangieren wusste wie mit muslimischen Würdenträgern. Seine Nähe zu Präsident Hosni Mubarak, den er bis zum Schluss unterstützt hat, haben ihm allerdings nicht wenige Kopten übel genommen.

Autorin

Katja Dorothea Buck

ist Religionswissen- schaftlerin und Journalistin in Tübingen.

Wer die Koptisch-orthodoxe Kirche, die mit ihren zehn Millionen Mitgliedern in und außerhalb von Ägypten die größte Kirche im Nahen Osten ist, in Zukunft führen wird, steht in den Sternen. Der Wahlmodus legt fest, dass innerhalb von drei Monaten nach dem Tod des Patriarchen ein neuer Papst gefunden werden muss. Ein Auswahlgremium bestimmt zuerst mindestens fünf bis maximal sieben Kandidaten. Wählbar sind ausschließlich Mönche über 40 Jahren, die mindestens 15 Jahre ihres Lebens im Kloster verbracht haben. Eine Wahlversammlung bestehend aus Bischöfen, Laien und Vertretern der Staatsmacht wählt aus den Kandidaten dann drei Namen aus, die auf Zettel geschrieben werden. Daraus – so legt die Tradition es fest – zieht ein Kind mit verbundenen Augen den Namen des zukünftigen Papstes. Dieser Brauch hat den Vorteil, dass er einen Wahlkampf und damit verbunden eventuelle Stimmenkäufe obsolet macht. Am Ende entscheidet das Los – oder Gott, wie die Kopten sagen.

Auf den neuen Papst warten schwere Aufgaben. Zum einen muss er dafür sorgen, dass in Ägypten die Interessen der Koptisch-orthodoxen Kirche auch in Zukunft gehört werden. Das ist kein leichtes Unterfangen, sind doch drei von vier Abgeordneten im neu gewählten Parlament Muslimbrüder oder Salafisten. Während die Muslimbrüder derzeit Schritte auf die koptische Kirche zu machen – wohl auch, um sich auf diesem Weg dem Westen als Verhandlungspartner anzubieten –, hetzen die Salafisten immer wieder gegen die Christen im Land.

Doch auch unter den Kopten gibt es radikale Stimmen, die den Dialog mit dem Islam ablehnen. Im vergangenen Oktober eskalierte eine Demonstration auch aufgrund koptischer Hassparolen gegen Muslime; 23 Menschen starben. Angesichts der unsicheren Lage in Ägypten wird das neue Oberhaupt diese radikalen Kräfte mäßigen und in die Kirche integrieren müssen. Sonst drohen den Kopten nicht nur das gesellschaftliche Abseits, sondern auch weitere gewaltsame Auseinandersetzungen mit radikalen Muslimen.

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erschienen in Ausgabe 5 / 2012: Digitale Medien: Das Versprechen der Technik
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