Nach Jahren steter Zuwächse ist die Entwicklungshilfe aller OECD-Geberländer 2011 wieder gesunken: im Vergleich zum Vorjahr um 3,4 Milliarden US-Dollar oder 2,7 Prozent auf 133,5 Milliarden US-Dollar. Deutschland hat sich mit umgerechnet 10,45 Milliarden Euro und 0,4 Prozent am Bruttoinlandsprodukt noch vergleichsweise gut gehalten. Im Schnitt der OECD-Geber betrug die Quote lediglich 0,31 Prozent.
Autor
Johannes Schradi
war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.„Wir haben die höchste Quote seit der Wiedervereinigung“, frohlockte Entwicklungsminister Dirk Niebel denn auch, der ansonsten lieber auf die „Wirksamkeit“ der eingesetzten Mittel als auf deren Höhe pocht. Nicht nur auf internationaler Bühne, sondern auch im schwarz-gelben Koalitionsvertrag hatte man freilich noch gelobt, die Mittel bis 2015 auf 0,7 Prozent zu erhöhen – ein Ziel, das immer unerreichbarer wird, wie Oppositionspolitiker und nichtstaatliche Organisationen unisono monieren (siehe Kasten).
Aufs Ganze gehen derweil Welthungerhilfe und terre des hommes in ihrem neuesten Bericht zur „Wirklichkeit der Entwicklungspolitik“, der dieses Jahr erstmals im Frühjahr und in zwei Teilen erscheint. Die deutsche Entwicklungspolitik, so der Befund, bestehe aus zu vielen „isolierten Konzepten“. Die „Reorientierung“ des Entwicklungsministeriums (BMZ) auf die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit und die „Überbetonung“ des Nutzens privatwirtschaftlicher Kooperation seien Signale in die falsche Richtung. Zielkonflikte mit anderen Ressorts, voran dem Wirtschaftsressort, etwa in der Handelspolitik blieben unterbelichtet. Der vom BMZ entwickelte „Menschenrechts-TÜV“ finde allenfalls BMZ-intern, nicht aber quer durch die Ressorts Beachtung; für eine bessere ländliche Entwicklung fehlten konkrete Zeitpläne, für mehr Bildungsarbeit das Geld.
Wolfgang Jamann von der Welthungerhilfe sagte bei der Vorstellung des Berichts: „Es fehlt an einem konsistenten Gesamtkonzept.“Erst recht sei nicht klar, wie die deutsche Entwicklungspolitik– und nicht nur sie – dem Klimawandel, den globalen Machtverschiebungen und den weltweit wachsenden sozialen Disparitäten eigentlich gerecht werden wolle. Danuta Sacher von terre des hommes: „Entwicklungsziele nur für die Entwicklungsländer – das ist doch Schnee von gestern.“ Das BMZ überlasse zu viel anderen Ressorts und müsse aufpassen, nicht in der entwicklungspolitischen Nische zu landen – aus der es Minister Niebel doch gerade herausholen wolle.
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