Düstere Kassandra-Rufe

Passend zum Umweltgipfel in Rio de Janeiro und 40 Jahre nach seiner ersten Studie über die „Grenzen des Wachstums“ hat der Club of Rome eine neue düstere Prognose vorgelegt. Ihr Hauptautor, der Norweger Jorgen Randers, sagt unter anderem eine Erderwärmung klar über der als beherrschbar geltenden Grenze von zwei Grad voraus – allerdings erst nach 2050. Viele seiner Voraussagen sind gewagt, doch sein Misstrauen gegenüber den politischen Entscheidungsmechanismen ist realistisch.

Randers schreibt im Kern große Trends fort. Er geht davon aus, dass die Erdbevölkerung kurz nach 2040 einen Höchststand von 8,1 Milliarden erreicht und dann sinkt. Auch die Wirtschaft werde langsamer als erwartet wachsen – besonders in den Industrieländern. Viele Schwellenländer würden stark aufholen, die armen Länder nicht. Aber die Kapazität des Planeten werde weit überfordert. Zwar erwartet Randers, dass Energie allmählich effizienter genutzt und stärker erneuerbar erzeugt wird. Dennoch würden die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 steigen und dann nur langsam sinken. Bis 2050 sei ein Temperaturanstieg um rund zwei Grad zu erwarten und bis 2080 um etwa drei Grad, der sich zudem selbst verstärken könne. Weitere Umweltprobleme wie das Artensterben und die Verschmutzung würden die Wirtschaft zusätzlich belasten. Anders als noch 1972 erwartet Randers den schleichenden Kollaps aber nicht aufgrund von Nahrungs- oder Erdölmangel, sondern aufgrund des Treibhauseffekts.

Autor

Bernd Ludermann

ist Chefredakteur von "welt-sichten".

Dagegen kann man im Einzelnen vieles einwenden – etwa dass die Bevölkerungsprognose zu niedrig ist, Artensterben und Bodenverlust wenig gewichtet werden und langfristige Voraussagen stets unsicher sind, gerade zum Klimawandel. An der Kernaussage, dass die Übernutzung der Ökosysteme kaum gebremst wird, ändert das aber wenig. Kritiker werfen Randers Panikmache vor: Bisher sind die Bevölkerung und die Weltwirtschaft auch gewachsen und das Leben der meisten ist dabei besser geworden. Doch dieses Argument ist ungefähr so, als würde man nach einem Sprung ins Ungewisse – etwa von einem Hochhaus – auf halber Fallstrecke behaupten: Seht her, es passiert gar nichts!

Gewichtiger ist der Einwand, man könne die Entwicklung politisch abwenden. Unzählige Gutachten listen auf, was man national und international tun kann und muss, damit der Umweltverbrauch begrenzt wird – üblicherweise begleitet von Szenarien, die aus verschiedenen politischen Annahmen mehr oder weniger düstere Folgen ziehen. Auch der Club of Rome hat das 40 Jahre so gemacht, um ein Umdenken anzuregen. Nun bilanziert Randers, der von Anfang an dabei war, dies sei gescheitert. Er erwartet, dass Regierungen weiter die Symptome neuer Umweltprobleme kurieren und die Entscheidungsmechanismen unzulänglich bleiben. Daher nur eine Prognose statt mehrerer Szenarien. Hier liegt die Provokation seines Berichts. Wenn die Klimaforscher nicht doch irren, kann ihn nur ein politischer Durchbruch widerlegen, der unwahrscheinlich ist.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2012: Holz: Sägen am eigenen Ast
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