Rückschritt statt verbindliche Regeln

Die neuen Leitlinien für die soziale Verantwortung zivilgesellschaftlicher Institutionen der International Standards Organization (ISO) sind in Österreich auf Kritik gestoßen. Nichtstaatliche Organisationen halten sie für unzureichend.

Die ISO hatte Anfang November das Dokument ISO 26000 „Guidance on Social Responsibility" veröffentlicht, das Standards für Unternehmen, aber auch für andere zivilgesellschaftliche Institutionen wie Umweltverbände, Gewerkschaften oder Kirchen setzt. Es enthält die erste weltweit anerkannte Definition der gesellschaftlichen Verantwortung von Konzernen, bekannt unter dem Kürzel CSR (Corporate Social Responsibility).

Autor

Ralf Leonhard

war bis zu seinem plötzlichen Tod im Mai 2023 freier Journalist in Wien und ständiger Korrespondent von "welt-sichten".

Nicht nur das Netzwerk Soziale Verantwortung, eine Plattform von mehr als 30 nichtstaatlichen Organisationen (NGO), reagierte enttäuscht. Die österreichische ISO-Delegation aus Vertretern von Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft enthielt sich der Stimme, weil sie sich nicht auf eine Position einigen konnte. Denn einzig die Gruppe der Berater war nach jahrelangen Diskussionen und Verhandlungen uneingeschränkt für das Papier. Während die NGOs geschlossen dagegen stimmten, votierten Vertreter von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung für Stimmenthaltung. Auch die deutsche Delegation enthielt sich der Stimme, wobei die deutschen NGOs dafür waren.

Der Anspruch der ISO 26000 sei aus der Perspektive eines reichen Industrielandes wie Österreich absolut unzureichend und stelle einen Rückschritt gegenüber bestehenden gesetzlichen Regeln dar, erklärte die Geschäftsführerin des Netzwerkes Soziale Verantwortung (NeSoVe), Petra Kreinecker. Franz Fiala, Verbraucherrat am Österreichischen Normungsinstitut, sagte, es sei aufschlussreich, „dass die internationale Konzernwelt nicht gegen ISO 26000 lobbyiert". Einige Bestimmungen seien in der entsprechenden EU-Norm „tausendmal strenger". ISO 26000 versteht sich außerdem lediglich als Leitfaden, der nur Empfehlungscharakter hat. Einer der heiklen Punkte ist die Verantwortung für Zulieferer in Ländern des Südens. Da beschränkt sich die Verantwortung der Unternehmen laut ISO 26000 auf ihre „Einflusssphäre", die sie ohne Begründungspflicht beliebig definieren können. Die Aufsichtspflicht erstreckt sich also nicht auf die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zu den Kleinproduzenten, die möglicherweise Kinder in Schuldknechtschaft halten, Hungerlöhne zahlen oder die Umwelt vergiften.

Für Stefan Kerl von der Südwind Agentur ist das „ein Rückschritt gegenüber der langjährigen Praxis vieler Unternehmen, die bereits Verantwortung für Sozial- und Umweltstandards in ihren Zulieferketten übernommen haben". Weil auch die Regierung ISO 26000 für wenig hilfreich hält, wird in Österreich ab Januar die Anpassung der entsprechenden ÖNorm diskutiert. Das Netzwerk Soziale Verantwortung begleitet das mit einer Informationskampagne und Forderungen nach verbindlichen strengeren Regeln.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2010: Staatsaufbau - Alles nur Fassade?
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