Entwicklungsorganisationen und kirchliche Hilfswerke sind oft in Ländern aktiv, die Transparency International (TI) als „hoch korruptionsanfällig" einstuft. Besonders wenn sie und ihre Partnerorganisationen bei humanitären Krisen rasch handeln und viel Geld einsetzen müssen, nimmt das Risiko der Korruption zu. Anne Schwöbel, Geschäftsleiterin von TI Schweiz, umriss damit vor Fachleuten in Bern eine Situation, die viele Hilfsorganisationen kennen. Nicht zuletzt wegen Skandalen um die Veruntreuung von Spenden überprüfen sie immer wieder ihre Kontroll- und Präventionsmechanismen.
Autorin
Viera Malach
arbeitet für die Presseagentur InfoSüd.Das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz (HEKS) hat infolge einer Veruntreuung 2007 in Niger sein internes Kontrollsystem verbessert und Richtlinien für die Finanzierung (Field Finance Programm Guidelines) geschaffen. Seither wird das Reporting vor Ort standardisiert. „Eine Herausforderung bei 22 unterschiedlichen Entwicklungsländern", berichtet HEKS-Mitarbeiterin Nicole Thuerlemann. Das Vorgehen von HEKS diente dem vierten „Runden Tisch" als eines von mehreren schweizerischen und internationalen Beispielen.
Aus dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch entstand bereits der Ratgeber „Korruption in der Entwicklungszusammenarbeit" mit Richtlinien, wie nichtstaatliche Organisationen aktiv gegen Korruption vorgehen und einen wirkungsvollen Einsatz ihrer Mittel gewährleisten. Die neue von TI Schweiz und Brot für alle publizierte „Checkliste zur Selbstevaluation" konzentriert sich auf wenige Fragen zu Organisationsführung, Personalwesen, Finanzen, Buchhaltung sowie zu Projekten, Lieferanten und Partnerorganisationen. Die Auswertung zeigt, wo Korruptionsrisiken bestehen und welche Präventionsmaßnahmen möglich sind.
Große Hilfswerke können sich schärfere Kontrollen eher leisten
„Die Checkliste dient allen Organisationen, unabhängig von ihrer Größe", betont BFA-Experte Yvan Maillard Ardenti. „Wir haben zudem die Erfahrungen mit den Richtlinien eingearbeitet." Die Fachleute wünschten sich Übersetzungen in weitere Sprachen für die Zusammenarbeit mit ihren Partnern. Während die französische Ausgabe der Checkliste und der Ratgeber für Anfang 2011 angekündigt ist, steht die Finanzierung für eine englische Übersetzung aus. Den Fachleuten zufolge können sich größere Hilfswerke mehr Ausgaben für die Verbesserung ihres Kontrollsystems leisten als kleinere. Diese könnten aber mit einer „Kultur der Transparenz" punkten, selbst wenn Maßnahmen mit mehr Aufwand verbunden sind. Debatten seien nötig, bis Werte, Visionen und ein Verhaltenskodex von allen getragen werden. Das reiche bis hin in den Alltag: Geschenke etwa sollten als Geste der Freundschaft und nicht der Beeinflussung verstanden werden. Sie teilen statt sie für sich zu behalten, laute die Devise.
Rechenschaftspflicht und Transparenz gegenüber Spendern und öffentlichen Gebern ist für die Hilfsorganisationen seit langem ein Thema. Sie fordern diese auch von Unternehmen, wollen selbst jedoch höhere Standards einhalten. Während Firmen etwa die in Afrika oft üblichen Bestechungsgelder an die Polizei in ihrer Bilanz kaum erwähnen, schlagen bei nichtstaatlichen Organisationen bereits 300 US-Dollar zu Buche, auch wenn ihre Bezahlung für die Sicherheit von Mitarbeitenden unerlässlich ist.
Sollen auch solche Fälle veröffentlicht werden? Viele Fachleute plädieren für ein offensives Vorgehen: Probleme regelmäßig zu kommunizieren, werde als Stärke gewertet. Andere räumen Sorgen um das Image und die Spenden ein, wenn sie „schlechte Nachrichten" publizieren. Zur Art und Weise der Veröffentlichung von Korruptionsfällen werden weitere „runde Tische" und ein Ratgeber gewünscht.
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