Auf einem Kongress des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) Ende Oktober hatten Politiker und Wirtschaftsleute in Berlin eindringlich dafür geworben, die Rohstoffausbeutung in aller Welt nicht anderen zu überlassen - vornweg dem besonders rohstoffhungrigen China. Gemeint waren klassische Rohstoffe wie Öl, Kupfer oder Holz, aber auch die so genannten seltenen Erden, die für die Herstellung zahlreicher High-Tech-Produkte unentbehrlich sind: Yttrium, Lanthan, Tantal und andere. Viele dieser Stoffe lagern in den Böden von Entwicklungsländern.
Autor
Johannes Schradi
war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.„Es ist wie bei Hase und Igel - die Gefahr ist: Wir kommen immer zu spät", mahnte der BDI-Ausschussvorsitzende für Rohstofffragen, Ulrich Grillo, auf dem Unternehmer-Konvent. Sich darauf zu verlassen, dass der Markt stets alles hergeben werde, was man brauche, sei blauäugig. Grillo: „Die Versorgung ist unsicher geworden."
Das sieht die Bundesregierung nicht anders und will daher mit einer neuen „Rohstoffstrategie" auch den Aufbau von Rohstoffpartnerschaften mit ausgewählten Ländern fördern. Welche das genau sind, bleibt unklar. Klar ist aber, dass der Entwicklungspolitik dabei eine unterstützende Rolle zufallen soll. Sie könne dazu beitragen, heißt es in dem Papier, in den Partnerländern wichtige institutionelle „Rahmenbedingungen für ein investitionsfreundliches Klima" zu schaffen. Dabei müsse gewährleistet sein, dass ökologische und soziale Belange „gleichrangig" neben dem Wirtschaftsinteresse stehen.
Die NGOs sind ausgeschlossen vom „Rohstoffdialog"
Hinter Letzteres setzen nichtstaatliche Organisationen (NGOs) freilich ein fettes Fragezeichen. Die neue Strategie habe vor allem den Abbau von Handelshemmnissen zum Ziel. Achtung und Schutz der Menschenrechte, die Einhaltung internationaler Umwelt- und Sozialstandards, Konfliktprävention und die Eindämmung der Rohstoffspekulation spielten nur eine Nebenrolle, argwöhnt man etwa beim Global Policy Forum Europe oder bei Misereor. Während bei dem von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle im Frühjahr ins Leben gerufenen „Rohstoffdialog" Wirtschaftsvertreter selbstverständlich mit am Tisch säßen, bleibe NGOs die Teilnahme verwehrt, ärgert sich die grüne Entwicklungspolitikerin Ute Koczy.
Ein eigenes Rohstoff-Papier von 14 entwicklungspolitisch engagierten Organisationen - von Brot für die Welt über Germanwatch bis urgewald - fordert wesentlich strengere Regelungen als die derzeit bestehenden - sowohl im nationalen Ressourcenmanagement als auch in der Außenwirtschaftsförderung. Nötig seien unter anderem Zertifizierungsverfahren, die nicht nur auf die Herkunft von Rohstoffen abstellen, sondern auch die sozialen und ökologischen Bedingungen beim Abbau berücksichtigen. Den Entwicklungsländern müsse zudem ein Recht auf Exportbeschränkungen (etwa mittels Exportsteuern) erhalten bleiben - das Gegenteil von dem, was sich die Wirtschaft wünscht.
„Wir wollen das Gute in der Welt gemeinsam verbreiten", sagte unterdessen Entwicklungsminister Dirk Niebel auf dem BDI-Kongress und erkannte „Schnittmengen" mit den Interessen seines Kabinettskollegen Brüderle und der Wirtschaft. Es gehe nicht darum, deutschen Unternehmen „Aufträge zuzuschustern" und andere Länder „auszuverkaufen". Auch die Menschen vor Ort müssten von den avisierten Partnerschaften selbstverständlich etwas haben. Was wiederum entwicklungspolitisches Engagement „in unserem Interesse" keineswegs ausschließe, versuchte der Minister auf schmalem Grad Gleichgewicht zu halten.
Sozusagen als Anhang zur Rohstoffstrategie der Bundesregierung hat Niebels Haus ein eigenes Strategiepapier erarbeitet; sein schlichter Titel: „Extraktive Rohstoffe". Das Papier pocht einerseits auf „Gewährleistung des freien Welthandels" und listet andererseits seitenlang auf, was zu gedeihlichen Rohstoffpartnerschaften dazugehören müsse: gute Regierungsführung, Transparenz bei Waren- und Zahlungsströmen, Bekämpfung von Korruption, Schaffung eigener Steuersysteme und vieles andere. Alles Dinge, mit denen es in vielen Partnerländern freilich nicht weit her ist.
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