Fischen im Konfliktgebiet

Im März läuft das Fischereiabkommen zwischen der Europäischen Union und Marokko aus. Ein neuer Vertrag ist nicht in Sicht: Die EU will in einem neuen Abkommen eine Zusicherung Marokkos, dass die Einwohner der Westsahara an den Einnahmen aus der Fischerei beteiligt werden. Die Regierung in Rabat hat sich dazu bislang nicht geäußert.

Seit 2007 fischen mehr als einhundert Trawler der EU vor der Küste der von Marokko annektierten westlichen Sahara, die meisten davon aus Spanien, mit marokkanischer Lizenz und im Rahmen des Fischerei-Abkommens mit der EU. Laut einem Gutachten der UN-Rechtsabteilung ist das illegal: Denn Marokko müsste zumindest nachweisen, dass von den Einnahmen der Fischerei in diesem Gebiet – die EU zahlt Marokko 36,1 Millionen Euro jährlich – ein „angemessener Teil“ den Einwohnern der ehemals spanischen Kolonie Westsahara zugute kommt. Das EU-Parlament hat das UN-Gutachten bestätigt. Es sei „beschämend“, dass die EU in ihrem Fischereiabkommen mit Marokko aus dem Jahr 2007 den Anspruch Marokkos auf die Gewässer vor der Westsahara ohne jede Einschränkung anerkannt habe, sagt der schwedische Jurist Hans Corell, früher Chef der UN-Rechtsabteilung. In der Tat hätte ein Nebensatz gereicht, das Hoheitsgebiet auf seine völkerrechtliche Grenze einzuschränken. Einzig Schweden hatte 2006 die Zustimmung zu dem Abkommen verweigert.

Autor

Heimo Claasen

ist freier Journalist in Brüssel und ständiger Mitarbeiter von "welt-sichten".

Am 1. März laufen die Protokolle des EU-Marokko-Vertrags aus, in denen die Einzelheiten zur Fischerei geregelt sind. Bis Mitte vergangenen Jahres haben die EU-Kommission und Marokko über die Erneuerung verhandelt. Im Juli hatte Fischerei-Kommissarin Maria Damanaki dann auf Drängen des EU-Parlaments die marokkanische Regierung aufgefordert, die „angemesse Beteiligung“ der Westsahara-Bewohner an den Einahmen aus der EU nachzuweisen. Bislang hat sie darauf keine Antwort erhalten – obwohl sie sich im Oktober mit dem marokkanischen Fischereiminister Aziz Akhanuch getroffen hat und im November Experten-Sitzungen stattfanden.

Ende November drängte das EU-Parlament die Kommission in einer Entschließung, sie solle sich aktiv um die Lösung des Westsahara-Konfliks bemühen und einen Abschnitt zu Menschenrechten in den Vertrag zur Zusammenarbeit mit Marokko aufnehmen. Das Parlament muss einer Verlängerung des Fischerei-Abkommens zustimmen, was nach Ansicht der Kommission „allein aus rechtlichen Gründen“ ohne die marokkanischen Zusicherungen nicht möglich ist.

Das EU-Parlament muss einem neuen Abkommen zustimmen

Mittlerweile ist die Zeit zu knapp, um neue Vereinbarungen durch die EU-Instanzen und über die diplomatischen Hürden zu bringen. Ab März werden die EU-Boote im Atlantik vor der Küste der Westsahara nicht mehr fischen dürfen, wo sie bisher den Großteil ihrer Fänge unter marokkanischer Lizenz eingeholt haben. Fischer- und Umweltorganisationen sehen darin Vor- und Nachteile: Die marokkanische Regierung habe ohnehin viel zu viele Lizenzen vergeben mit der Folge, dass die Fischgründe vor der Westsahara regelrecht ausgeplündert worden seien. Ein Rückzug der technisch hochgerüsteten EU-Fischflotte – die allerdings nicht allein dafür verantwortlich sei – könne dazu beitragen, dass sich die Bestände erholen.

Andererseits habe das EU-Abkommen die – freilich unzureichenden – Maßnahmen der marokkanischen Regierung gefördert, gegen die unlizenzierte Raubfischerei vorzugehen. Zudem hat Brüssel das marokkanische Fischerei-Forschungsinstitut mitfinanziert, das mit fundierten Untersuchungen die freigiebige Lizenzvergabe der Regierung kritisiert hat.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2011: Behinderung: Das Recht auf Teilhabe
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