Erst kürzlich hat eine Rede von Präsident Umar Hassan al-Baschir für große Unruhe unter den nordsudanesischen Christen gesorgt. Al-Baschir kündigte an, in der neuen Verfassung des Nordsudan den Passus zu streichen, der die Gesellschaft als multiethnisch, multikulturell und multireligiös beschreibt. Zudem soll die Verfassung auf dem islamischen Gesetz der Scharia aufbauen und Arabisch künftig die einzig zulässige Verkehrssprache sein. 98 Prozent der Bevölkerung des Nordsudan seien Muslime, so die Begründung al-Baschirs. Diese Zahl ist offensichtlich geschönt. Denn auch wenn es keine verlässlichen Zahlen zu den verschiedenen Volks- und Religionsgruppen im Sudan gibt, so dürften die christliche Minderheit und die Anhänger von Naturreligionen einen wesentlich größeren Anteil als zwei Prozent haben. Nach dem Referendum im Süden müssen sie sich nun fragen, ob für sie im neuen Nordsudan noch Platz sein wird.
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„Unter den Christen im Norden herrscht Angst“, sagt Marina Peter vom Ökumenischen Sudan-Forum, einem internationalen Netzwerk, das 1994 unter dem Dach des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) ins Leben gerufen wurde. Viele hätten bereits den Norden in Richtung Süden verlassen; die Kirchen in Khartum seien spürbar leerer geworden, sagt Peter. Der Ökumenische Nachrichtendienst ENI berichtet, einige Kirchen und christliche Schulen im Norden seien mittlerweile geschlossen, weil alle Christen gegangen seien. Anfang Januar haben die nordsudanesischen Kirchen deswegen beschlossen, den Dialog mit gleichgesinnten Kräften zu suchen. Gemeinsam wolle man auf die Verfassunggebung Einfluss nehmen und verhindern, dass al-Baschirs Ankündigungen verwirklicht werden.
Der Südsudan wird sich eine säkulare Verfassung geben
Im Süden dagegen haben die Christen eine komfortable Mehrheit. Schätzungsweise zwei Drittel der rund zwölf Millionen Südsudanesen gehören einer Kirche an. Zudem fühlen sich viele Anhänger traditioneller afrikanischer Religionen gleichzeitig dem christlichen Glauben verbunden. Die Muslime müssen aber nicht fürchten, dass sie als Minderheit im neuen Staat nichts zu sagen hätten. „In der Befreiungsbewegung hat Religionszugehörigkeit keine Rolle gespielt“, sagt Marina Peter. Entsprechend werde sich der Südsudan eine säkulare Verfassung geben.
Doch auch im Süden müssen die Kirchen ihre neue Rolle erst finden. Experten rechnen mit Signalen der regierenden Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM), dass sich die Kirchen, mit denen man sich bisher gemeinsam für das Selbstbestimmungsrecht eingesetzt hatte, nun aus der Politik heraushalten sollen. Andererseits, so Peter, sei aber auch gut möglich, dass fähige Kirchenmitarbeiter in Regierungsämter berufen werden – so wie das bereits nach dem Friedensabkommen von 2005 geschehen ist. Die Kirchen hätten dann zwar einen gewissen Einfluss auf die Regierung, doch eine zu enge Bindung wäre nach Ansicht von Peter auch nicht gut. „Die Kirchen sind die einzige zivilgesellschaftliche Institution im Süden, die stark genug ist, um eine sogenannte Watchdog-Rolle zu übernehmen.“
Offen ist auch, wie die Kirchen im Norden und im Süden künftig zusammenarbeiten werden. Der Sudanesische Kirchenrat (SCC) hatte bisher 14 Mitglieder, darunter protestantische und Pfingstkirchen sowie die katholische Kirche. Auf einer Konferenz im Mai soll entschieden werden, ob der Rat sein Hauptquartier künftig in Juba haben soll und der bisherige Sitz in Khartum eine Zweigstelle wird. Die Zusammenarbeit der Kirchen im Sudan ist insbesondere für die Versöhnung zwischen den beiden Landesteilen wichtig.
Und schließlich kann der SCC über seine internationalen Kontakte dafür sorgen, dass die Christen im Norden nicht aus dem Blick der Weltöffentlichkeit geraten. Denn das ist eine der großen Befürchtungen unter den Christen, aber auch in weiten Teilen der muslimischen Zivilgesellschaft im Norden: dass sich niemand mehr für sie interessiert, sobald im Süden ein neuer Staat entstanden ist.
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