Dagmar Wöhrl, Unionspolitikerin und Vorsitzende des Entwicklungsausschusses im Bundestag (AWZ), hatte die Lösung schon parat, bevor dort die Experten-Anhörung zum Thema „Chancen der Kooperation mit der Privatwirtschaft“ überhaupt stattgefunden hatte. „Unser Ziel muss es sein, die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gleichberechtigt neben die Kooperation staatlicher Akteure zu rücken.“ Nur durch privates Engagement ließen sich die UN-Millenniumsziele erreichen, erklärte sie.
Autor
Johannes Schradi
war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.Wöhrls Pressemitteilung wirkte wie mit Minister Niebel (FDP) persönlich abgestimmt. Der startete – nahezu zeitgleich – erst in der Industrie- und Handelskammer Potsdam die Info-Kampagne „wirtschaft.entwickelt.global“ und feierte dann im Entwicklungsministerium die Vereinbarung der künftig wesentlich intensiveren Zusammenarbeit des Beratungswerks der Wirtschaft Sequa mit der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), dem wichtigsten Durchführer staatlicher Entwicklungsarbeit. Die Sequa müht sich – mit bis jetzt eher mäßigem Erfolg – bereits seit zwanzig Jahren um ein besseres Zusammenspiel von Privatwirtschaft und staatlicher Entwicklungszusammenarbeit. Auf Betreiben von Niebel hat sich die GIZ unlängst mit einer Beteiligung in Höhe von 49 Prozent in die Arbeit der ansonsten von Wirtschaftsverbänden wie dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag oder dem Bundesverband der Deutschen Industrie getragenen „Entwicklungsorganisation“ eingeklinkt.
Für Niebel ist die Kooperation mit der Wirtschaft der Schlüssel
Für den Minister ist ausgemacht: Die Zusammenarbeit mit der privaten Wirtschaft ist der Schlüssel. So würden, erklärte er in Potsdam, gleich drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Menschen in den Partnerländern kommen zu Arbeit und Lohn, deutsche Unternehmen erhalten Zugang zu neuen Märkten und obendrein wird der deutsche Steuerzahler von staatlichen Entwicklungsleistungen entlastet.
Doch Idee und Praxis sind nun mal zweierlei. Das machten sowohl die AWZ-Anhörung als auch die Sequa-Feierstunde deutlich. Experten von Organisationen wie „urgewald“ und Germanwatch, aber auch ein Vertreter der UN-Arbeitsorganisation ILO wiesen im Ausschuss darauf hin, dass sich der erhoffte „Trickle-down-Effekt“ – sprich: ein nachhaltiger Gemeinnutzen des privatwirtschaftlichen Engagements – nicht automatisch einstellt. Segensreich wirken könne es allenfalls, wenn es an strenge soziale und ökologische Bedingungen gebunden wird. Und dabei – auch das ein Ergebnis der Anhörung – tun sich nicht nur viele große Konzerne schwer, sondern gerade auch kleine und mittlere Unternehmen, die Minister Niebel besonders am Herzen liegen. Untersuchungen von öffentlich-privaten Partnerschaften in der Entwicklungszusammenarbeit haben gezeigt, dass diese entwicklungspolitisch wenig wirksam sind.
Es ist eben schwierig, die auf Gewinnerzielung ausgerichtete Wirtschaft und die auf Sozialausgleich und Nachhaltigkeit angelegte Entwicklungszusammenarbeit unter einen Hut zu bringen, befand denn auch freimütig Walter Kiefer, früherer Sequa-Geschäftsführer – und fragte bange, ob es denn gut gehen könne, wenn die Initiative künftig „zwei Herren“ dienen solle: der deutschen Wirtschaft und via GIZ dem Entwicklungsministerium? Oder zugespitzt: Wer dient am Ende wem? Eine Frage, die im politischen Berlin als noch unentschieden gehandelt wird – außer bei der Linkspartei. Deren Entwicklungspolitiker Niema Movassat ist sich schon jetzt sicher: „Minister Niebel arbeitet daran, sein Ministerium zum internationalen Lobbyverein für die deutsche Wirtschaft umzuwandeln.“
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