Lob des Scheiterns?

Eine kanadische nichtstaatliche Organisation berichtet im Internet über fehlgeschlagene Projekte und ruft andere Hilfsorganisationen auf, diesem Beispiel zu folgen. Zwar wird man vor allem aus Fehlern klug. Doch diese Praxis könnte auch denen in die Hände spielen, die Entwicklungshilfe pauschal als nutzlos verdammen.

„Tue Gutes und rede darüber“ – nach dieser Maxime verfahren die meisten Hilfsorganisationen. Und das ist berechtigt: Um die Umwelt zu schützen oder Menschen in Not zu helfen, braucht man Geld. Der Staat, die Kirchen und private Spenderinnen und Spender geben nur, wenn sie einen Bedarf erkennen. Und sie möchten – ebenfalls zu Recht – später wissen, was mit ihrem Geld erreicht worden ist. Sind sie vom Ergebnis überzeugt, geben sie in der Regel noch mehr. Das setzt die Hilfsorganisationen unter Druck, möglichst nur über Erfolge zu berichten, zumal die Konkurrenz um Spenden und öffentliche Mittel immer schärfer wird.

Autorin

Gesine Kauffmann

ist Redakteurin bei "welt-sichten".

Eine kanadische Entwicklungsorganisation beschreitet genau den umgekehrten Weg: Sie berichtet öffentlich über Fehlschläge in ihren Projekten. „Wenn wir unsere Fehler verstecken, sind wir dazu verurteilt, sie zu wiederholen und verhindern, dass etwas Neues entsteht“, lautet die Begründung. In gedruckter Form legen die „Ingenieure ohne Grenzen“ (Engineers Without Borders, EWB) schon seit 2008 Rechenschaft über gescheiterte Projekte ab. Mitte Januar haben sie dazu nun auch eine Internet-Seite gestartet. Dort schildern sie unrühmliche Beispiele aus ihrem Arbeitsalltag und was sie daraus gelernt haben. Außerdem rufen sie andere Organisationen auf, ihrem Beispiel zu folgen (www.admittingfailure.com). Die Resonanz ist bislang allerdings bescheiden.

Dafür wird in zahlreichen Blogs heiß diskutiert: Die Initiative erhält viel Lob und Anerkennung. Der Grundgedanke ist ja auch schlüssig. Jeder weiß aus eigener Erfahrung, dass man vor allem aus Fehlern klug wird. Geber und Spender könnten Organisationen wertschätzen lernen, die offen und ehrlich zu Fehlschlägen stehen, und so ein realistischeres Bild der Arbeit vor Ort erhalten. Dass alles perfekt läuft, glaubt ohnehin niemand. Unerwünschte Nebeneffekte sind aber nicht auszuschließen: Die Internetseite könnte ungewollt jenen in die Hände spielen, die Entwicklungshilfe pauschal als nutzlos verdammen. Und ganz so einfach ist es eben auch nicht. Denn die Meinungen, wann ein Projekt gescheitert ist, gehen manchmal weit auseinander – vor allem bei Vorhaben, deren Ergebnisse sich nicht in Zahlen messen lassen.

 

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erschienen in Ausgabe 3 / 2011: Welthandel: Auf dem Rücken der Armen
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