Die Geschichte hinter den Rüstungsdeals

Andrew Feinstein
Waffenhandel
Das globale Geschäft mit dem Tod
Hoffmann und Campe, Hamburg 2012
847 Seiten, 29,99 Euro.


Verteidigungsminister Thomas de Mazière hielt es neulich für geboten, Klartext gegenüber der deutschen Rüstungsindustrie zu reden: „Wir bestellen, was wir brauchen – und nicht das, was uns angeboten wird.“ Eigentlich sollte das eine Selbstverständlichkeit sein, und dass ein Minister glaubt, er müsse das noch einmal betonen, ist ein bedenkliches Zeichen. Es spiegelt aber den Alltag im weltweiten Geschäft mit Waffen wider, so wie ihn der Journalist Andrew Feinstein in seinem fulminanten Buch schildert: Firmen wie BAE, Lockheed Martin, Boeing, Krauss-Maffei, Heckler & Koch oder EADS lassen keine Tricks aus, Regierungen in aller Welt ihre Kampfflugzeuge, Panzer, Kanonen und Gewehre für teures Geld anzudrehen.

1999 zum Beispiel kaufte die damals noch junge ANC-Regierung in Südafrika von mehreren europäischen Herstellern Flugzeuge und U-Boote, für die das Land gar keine Verwendung hatte. Es flossen hunderte Millionen an Bestechungsgeldern an südafrikanische Politiker, bis vergangenes Jahr musste das Land insgesamt sieben Milliarden Euro für die nutzlosen Waffen zahlen. Feinstein saß damals als ANC-Abgeordneter im südafrikanischen Parlament und kämpfte gegen den Deal – ohne Erfolg. Inzwischen hat er seinem Heimatland den Rücken gekehrt und ist nach Großbritannien gezogen, doch das weltweite Geschäft mit dem Tod hat ihn nicht losgelassen. Sein Buch schildert auf mehr als 800 Seiten in einer bisher einmaligen Tiefe und Breite die Machenschaften der Waffenhersteller und Waffenhändler sowie die Verflechtungen zwischen Industrie und Politik.

Deutschland kommt dabei nicht gut weg. So trieb die von einem hochrangigen Mitglied der Waffen-SS gegründete Firma Merex nach dem Zweiten Weltkrieg das voran, was Feinstein als „Graumarkt“ bezeichnet: den Waffenhandel, der zwar über legale Kanäle, aber dennoch im Verborgenen stattfindet. Merex verkaufte in den 1960er und 1970er Jahren in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst deutsche Waffen in alle Welt, bevorzugt an arabische Länder.

Feinstein schildert, wie in der Zeit des Kalten Kriegs der von US-Präsident Dwight D. Eisenhower so bezeichnete „militärisch-industrielle Komplex“ entstand: die enge Verbindung zwischen Militär, Industrie und Politik, die den Waffenherstellern lukrative Aufträge, dem Militär das gewünschte Gerät und den Politikern Bestechungsgelder, Aussicht auf hochdotierte Posten in der Wirtschaft und Zugriff auf eine als strategisch wichtig erachtete Industrie garantiert.

Im letzten Kapitel seines Buches lässt Feinstein Revue passieren, was aus den Beteiligten wichtiger Rüstungsdeals der vergangenen Jahre geworden ist, bei denen erwiesenermaßen geschmiert, gelogen und getrickst wurde. Nur wenige wurden belangt, der eine oder andere hochkarätige Waffenhändler musste ins Gefängnis. Die meisten Politiker hingegen, die hinter den Kulissen die Fäden ziehen, kommen laut Feinstein unbescholten davon. Der frühere britische Premierminister Tony Blair etwa, der die Untersuchung von Bestechungsvorwürfen gegen den britischen Flugzeugbauer BAE stoppen ließ, halte heute hochdotierte Reden bei Banken und Beteiligungsgesellschaften, die am Waffenhandel mitverdienen. Und der frühere britische Botschafter beim BAE-Kunden Saudi-Arabien sei heute als Manager bei der Waffenschmiede angestellt, berichtet der Autor.

Feinsteins Rechercheleistung ist beeindruckend, hundert Seiten Anmerkungen und Belege zeugen davon. Das Buch quillt über von Fakten und Details, liest sich aber dennoch spannend wie ein Spionagethriller. Das Ende ist offen, aber viel Hoffnung, dass das Milliardengeschäft mit Waffen in Zukunft eingedämmt oder zumindest in verantwortlichere Bahnen gelenkt wird, kann uns Feinstein leider nicht machen. (Tillmann Elliesen)

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