Als die Demokratie in Bhutan Einzug hielt

 

Was will der Lama mit dem Gewehr? Bhutan/Taiwan 2023, Regie: Pawo Choyning Dorji, 107 Minuten, Kinostart: 1. August 2024
 

Die charmante Politkomödie aus dem Himalaya erzählt in drei fiktiven Erzählsträngen, wie der König von Bhutan 2006 zugunsten seines Sohnes abdankte und eine parlamentarische Monarchie einführte. Und wie sich die ländliche buddhistische Bevölkerung im praktischen Umgang mit der Demokratie zunächst schwertat.

Im Vorfeld der ersten Parlamentswahlen im südasiatischen Königreich bereitet der Lama des Bergdorfs Ura eine traditionelle Zeremonie zum Vollmond vor. Dazu schickt er den jungen Mönch Tashi los, ein Gewehr zu besorgen. Das ist nicht so einfach, denn in dem friedlichen kleinen Himalaya-Staat Bhutan gibt es kaum Waffen. Als Tashi endlich bei einem Bauern ein altes Gewehr aus dem amerikanischen Bürgerkrieg auftreibt, kommt er dem US-Waffensammler Ron in die Quere. Dieser ließ sich von dem geschäftstüchtigen Benji in das Dorf fahren, um das wertvolle Sammlerstück zu kaufen. Derweil trifft die Leiterin der Wahlkommission, Yangden, in Ura ein, um die Registrierung der Wahlberechtigten zu überwachen und Probewahlen abzuhalten, damit sich die Bevölkerung auf die erste echte Wahl vorbereiten kann und das Land nicht blamiert. Allerdings sorgt die Aufstellung der neuen Parteien rasch für Postengeschacher, Neid, Egoismus und Zank, der sogar Familien wie die der Hausfrau Tshomo spaltet, die bei der Wahlorganisation hilft. 

Der zweite lange Spielfilm von Pawo Choyning Dorji setzt im Jahr 2006 ein. Der König Jigme Singye Wangchuck dankt vorzeitig zugunsten seines Sohnes Jigme Khesar Namgyel Wangchuk ab, zwei Jahre später wird Bhutan nach Jahrhunderten der absoluten Monarchie zu einer parlamentarischen Monarchie mit politischen Parteien und freien Wahlen nach britischem Muster. 

Humorvoll-satirisch, aber auch gesellschaftskritisch

Der politische Wandel ist einerseits zeitgemäß, stellt aber auch das bewährte Konzept des Bruttonationalglücks in Frage. Demnach streben die 750.000 Bürgerinnen und Bürger weniger nach materiellem Wohlstand als nach einer ganzheitlichen Lebensweise, in der zum Beispiel der Naturschutz Verfassungsrang hat. Der Regisseur nutzt diesen Umbruch für humorvoll-satirische, aber auch gesellschaftskritische Beobachtungen zu den Folgen der Demokratisierung. So hat der unbedarfte Mönch Tashi noch nie etwas von Wahlen gehört. Als Yangden ihn im Auto mitnimmt, fragt er sie: „Ist das so etwas wie die Schweinepest?“ Auch die Auswirkungen der Globalisierung und des westlichen Kapitalismus, die sich ausbreiten, seit Bhutan als mutmaßlich letztes Land der Erde 1999 das Verbot von Fernsehen und Internet aufgehoben hat, werden zuweilen kritisch reflektiert. So trinkt Tashi in einer Gaststätte, in der viele Menschen im Fernsehen erstmals Wahlspots schauen, statt des traditionellen Tees „schwarzes Wasser“, sprich eine Cola. Und später ordert er bei einem Waffenhändler für den Lama zwei Kalaschnikows, die er in einem lautstarken TV-Trailer zum James Bond-Film „Ein Quantum Trost“ gesehen hat. 

Da es in Bhutan kaum professionelle Schauspieler gibt, hat Pawo Choyning Dorji wie in seinem viel gelobten und für den Oscar nominierten Debütfilm „Lunana. Das Glück liegt im Himalaya“ (2019) weitgehend auf Laiendarsteller zurückgegriffen, die für viel Authentizität sorgen. So ist Kelsang Choejay der tatsächliche Lama des Ortes Ura, der Tashi-Darsteller Tandin Wangchuk ist der Lead-Sänger einer Rock-Band aus Bhutan und der Benji-Darsteller Tandim Sonam arbeitet hauptberuflich als Immobilienmakler und Anwalt. 

Das teils burleske Geschehen ist eingebettet in eine elegante Kameraführung, die immer wieder beiläufig die imposanten Berg- und Tallandschaften ins Bild rückt. Die Inszenierung kombiniert mit lakonischem Humor Elemente von Road Movie, Satire und Politkomödie, die Waffensuche beschert zudem hintersinnige Spannungsmomente bis hin zum symbolträchtigen Finale. Sympathisch wirkt vor allem der zärtliche und respektvolle Blick des Regisseurs auf die Figuren mit all ihren menschlichen Schwächen, die sich einfallsreich und mit gesundem Menschenverstand mit den Licht- und Schattenseiten der Modernisierung ihrer Lebenswelt arrangieren. 

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