In seinem Buch erklärt der britische Humangeograf Laurie Parsons den Zusammenhang zwischen Kolonialismus, Klimawandel und der globalen Industrie und entlarvt vermeintliche klimapolitische Fortschritte des Nordens als Augenwischerei auf Kosten des Südens.
Im globalen Norden könnte man fast glauben, die Menschheit bekäme den Klimawandel in den Griff: Immer mehr Länder reduzieren ihre CO2-Emissionen, langsam aber sicher scheinen viele Firmen nachhaltiger zu produzieren. Dieses Bild trügt, wie Laurie Parsons in seinem Buch zeigt. Der Professor für Humangeografie an der Londoner Royal Holloway Universität erklärt, dass die Fortschritte im Norden nur durch Ausbeutung des globalen Südens gelingen: Europa könne die Umweltzerstörung vor Ort nur verlangsamen, weil sie in anderen Regionen zunehme. Dieser „Export“ folgt der jahrhundertealten Logik des Kolonialismus, der von jeher die Ressourcen anderer Regionen ausnutzte, so Parsons.
Dass Firmen aus den nördlichen Industrieländern nachhaltiger und ethischer produzieren, sei meist mehr Marketingstrategie als Realität – tatsächlich strebten sie vor allem nach wirtschaftlichem Wachstum. Das bedeute, dass immer neue Landstriche für die Industrie nutzbar gemacht werden und sich die Natur nicht regenerieren könne. Und auch die Arbeiterinnen und Arbeiter würden von den Konzernen des Nordens als schlichte Ressource betrachtet. In einer Fortschreibung des Kolonialismus ließen sich auch heute noch die Menschen in zwei Gruppen unterteilen: Die einen litten unter unwürdigen Arbeitsbedingungen und Armut, die anderen könnten billig konsumieren.
Staudämme in den Niederlanden, Überflutungen in Indien
Tatsächlich nachhaltige und ethische Produktion sei unter den jetzigen Umständen kaum möglich, so Parsons. Denn Industrieprodukte werden in der Regel aus einer Reihe von Rohstoffen aus unterschiedlichen Ländern hergestellt. Parsons erläutert das am Beispiel eines Toasters „made in Vietnam“ aus 157 Einzelteilen, die nicht alle in Vietnam hergestellt werden. Zudem arbeiteten internationale Unternehmen mit örtlichen Unterfirmen zusammen, so dass das komplexe Netz aus Lieferketten kaum zu verstehen oder gar zu verändern sei. Auch verschiedene politische Bemühungen hätten die Arbeitsbedingungen praktisch kaum verbessert. Koloniale Strukturen, resümiert Parsons, beuten nicht nur noch immer Ressourcen und Menschen aus dem globalen Süden aus. Sie bestimmen auch, wie die einheimische Bevölkerung die Folgen des Klimawandels zu spüren bekommt. Während beispielsweise in den Niederlanden seit Jahren Staudämme Überschwemmungen verhindern, leiden die Bewohner Neu Delhis regelmäßig unter Überflutungen mit teils fatalen Folgen, denn die meisten Fabriken in Indien leiten ihr giftiges Abwasser mehr oder weniger ungeklärt in die Flüsse.
Parsons Buch eignet sich gut für Menschen, die sich bislang noch wenig mit derlei Themen auseinandergesetzt haben. Der Autor skizziert die Anfänge der transnationalen Großindustrie zu Kolonialzeiten und spannt einen Bogen zur heutigen Situation. Dazu erzählt er auch Anekdoten aus seinen langjährigen Forschungsreisen. Er beschreibt Berge, die zu Staub gemahlen werden und neue Betonstraßen für die Industrie bilden. Neben den Bergen wachsen Müllhalden, auf denen Menschen unter der prallen Sonne arbeiten. Das Buch ist auch an vielen Stellen berührend geschrieben. Parsons Sprache ist einfach verständlich, seine Argumentation eingängig: So kann es nicht weitergehen.
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