Der Migrationsexperte Benjamin Schraven entkräftet in seinem Buch die Behauptung, der Norden werde infolge des Klimawandels von Flüchtlingen aus dem Süden überrannt. Den Begriff „Klimamigration“ hält er überdies für schwer definierbar.
Gestiegene Flüchtlingszahlen haben in den vergangenen Monaten dazu geführt, dass die Unterbringung und Integration von Zuwanderern in Deutschland und Europa schwieriger geworden ist. Dahinter stecken Krieg, Armut und auch die Befürchtung, dass die nicht mehr zu übersehenden Folgen des Klimawandels ganze Regionen unbewohnbar machen könnten.
Dem hält der Entwicklungsforscher und Migrationsexperte Benjamin Schraven einige Fakten entgegen. Der Wissenschaftler am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn hat den Stand der Forschung zum Thema zusammengetragen. Er stellt fest, dass es sich bei denen, die oft als Klimamigranten bezeichnet werden, überwiegend um Binnenflüchtlinge handelt, die innerhalb ihres Heimatlandes vor Naturkatastrophen fliehen und nach einiger Zeit wieder in ihre Herkunftsorte zurückkehren. In der Regel hätten sie auch gar keine andere Wahl, bemerkt er. Denn die meisten dieser Betroffenen – und vor allem Frauen mit Kindern – seien nicht in der Lage, weite Reisen in ferne Länder oder gar auf andere Kontinente zu finanzieren und durchzustehen. Am ehesten tun das junge Familienväter, um an anderen Orten – oft zeitweise – Arbeit zu finden.
Der Autor verweist darauf, dass Migration so alt ist wie die Menschheit, dass sich Wanderungsbewegungen aber seit Beginn der Industrialisierung enorm beschleunigt haben. Die Wissenschaft deutet vor allem auf wirtschaftliche Ursachen dafür. Erst neuerdings beschäftigt sie sich mit klimabedingten Ursachen. Dabei stelle sich aber heraus, dass zwar zunehmend Menschen aus ihrer unwirtlich gewordenen Heimatregion fliehen. Allerdings zögen die allermeisten zunächst vom Dorf in die Stadt und später allenfalls in benachbarte Länder und Regionen.
Menschen migrieren meist nicht nur aus einem einzigen Grund
Migration selbst solle dabei, wie der Autor betont, nicht per se als etwas Schlechtes gesehen werden, denn sie könne die Überlebensfähigkeit von armen Familien erhöhen, wenn sie sich beizeiten nach günstigeren Lebensbedingungen umsehen würden. Zudem könne Migration auch die Möglichkeit eröffnen, sich andernorts weiterzubilden und neue Fertigkeiten zu erwerben. Auch die aufnehmenden Orte und Regionen könnten vom Zuzug von Arbeitskräften profitieren, die das Wirtschaftsleben ankurbeln würden.
Schraven betont, dass eine Gemengelage von politischen, sozialen, wirtschaftlichen und demografischen Faktoren die Mobilitätsentscheidungen der Menschen beeinflusst und es deshalb schwierig ist, Begriffe wie „Klimaflüchtling“, „Umweltflüchtling“ oder „Klimamigration“ zu definieren. Zahlen und Prognosen zur Migration infolge klimatischer Veränderungen betrachtet er deshalb sehr skeptisch.
Seine Ausführungen ergänzt er mit einer Beschreibung der wichtigsten internationalen Organisationen im Bereich der Migration und einem Glossar der Fachbegriffe. Das informative Werk wendet sich auch von der Sprache her eher an Fachleute als an ein allgemeines Publikum.
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