Der Regisseur Markus C.M. Schmidt begleitet in seinem Road Movie Mitglieder des Berliner Bigband-Projekts Omniversal Earkestra nach Mali, wo sie gemeinsam mit legendären Altmeistern einheimischer Bigbands neue Arrangements erarbeiten.
In den 1960er und frühen 1970er Jahren pulsierte in Mali eine prominente Afrolatin-Brassband-Szene. Die Altmeister der damals legendären Bigbands sind heute weitgehend vergessen, aber einige Mitglieder des Berliner Bigband-Projekts Omniversal Earkestra schätzten den außergewöhnlich mitreißenden Sound von damals so sehr, dass sie nach Mali reisten, um ihm nachzugehen. Die Reise dieser Gruppe, die aus zwölf Bläsern, einem Bassisten und einem Schlagzeuger besteht, dokumentiert Markus C.M. Schmidt in seinem Film.
Anhand von Erzählungen von Zeitzeugen und Musikausschnitten zeigt Schmidt zunächst die lebhafte Szene von Bigbands, die nach der Unabhängigkeit des heutigen Mali von Frankreich im Jahr 1960 unter dem ersten sozialistischen Präsidenten Modibo Keita entstand. Die Bands verschmolzen auf kreative Weise örtliche Musiktraditionen der Dogon, Wassalou und Tuareg mit funkigen Bläsersätzen. Wichtige Anstöße gaben auch kubanische Ausbilder, die die sozialistisch regierte Karibik-Republik damals nach Afrika entsandte. Die musikalische Blüte währte allerdings nur kurz. Im November 1968 putschte in Mali das Militär und ließ nach und nach die schwungvolle Musik verstummen. Die Bigbands lösten sich auf oder zogen in Nachbarländer wie die Elfenbeinküste weiter. Heute leben die einstigen Musikerstars verarmt und über das ganze Land verstreut.
Um sie aufzuspüren, reisen die Berliner Musiker von der Hauptstadt Bamako aus den Fluss Niger entlang nach Norden, nach Segou, N‘Gara, Mopti und Timbuktu. Die Kamera ist an ihrer Seite, wenn sie Altmeister wie Salif Keita, Sory Bamba, Cheick Tidiane Seck und Abdoulaye Diabaté treffen, die Entstehungsgeschichte eines Liedes erkunden oder in einem ehemaligen Bahnhofshotel defekte Instrumente der erst 1970 gegründeten malischen Rail Band finden, die dort seit Jahrzehnten in einem Lagerraum verstauben. Sie begleitet die Gäste auch ins Filmarchiv des Landes, wo sie alte Wochenschauen und Schwarz-Weiß-Fotos sichten oder mit einem auskunftsfreudigen Schallplattensammler sprechen.
Die malischen Altmeister haben ihre eigenen musikalischen Vorstellungen
Bei Jam-Sessions, Proben und Konzerten kommen die Musiker aus Nord und Süd miteinander ins Gespräch und studieren gemeinsam Neufassungen der alten Stücke ein. Das läuft nicht immer reibungslos ab. Denn die rüstigen malischen Musikheroen freuen sich zwar über das rege Interesse aus Deutschland, haben aber durchaus ihre eigenen Vorstellungen von einer Wiederbelebung ihrer Musik und von deren Rhythmen. Wenn die deutsch-malische Gruppe dann aber dem örtlichen Publikum die Ergebnisse ihres Austausches präsentiert, springt der Funke sichtlich über – die Menschen klatschen und tanzen oft mit.
Der Regisseur nimmt sich zwischen Recherchen, Proben und Konzerten genug Zeit, um Reiseimpressionen einzubinden und Einblicke in die heutigen Lebensverhältnisse zu geben. Die jüngsten Militärputsche kommen allerdings nicht vor; dass Reisen im Norden des Landes wegen der islamistischen Gewalt und der Bandenkriminalität gefährlich sind, wird nur kurz in einem Dialog thematisiert.
Am Ende des vierwöchigen Erkundungstrips durch Mali treffen sich die Berliner und die aus diversen Landesteilen angereisten einheimischen Musikerinnen und Musiker im renommierten Moffon-Studio von Salif Keita in Bamako, um die neuen Fassungen der Songs einzustudieren und schließlich für ein Album aufzuzeichnen. Wer nach dieser erhellenden Musikdoku Appetit bekommen hat, diesen schwungvollen Sound wieder zu hören, kann sich an Trikont wenden: Die CD/LP ist im November 2020 bei dem Münchner Independent-Label erschienen.
Musik aus Mali
Musik aus Malis Vergangenheit
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