Die Klassenkämpfe der Vergangenheit waren geprägt von den sozialen Verwerfungen, die die Industrialisierung mit sich brachte. Die Autoren rufen nun zu einem „Ökologischen Klassenkampf“ auf.
Angesichts der ökologischen Krise halten der französische Philosoph Bruno Latour und der dänische Soziologe Nikolaj Schultz eine neue Form des Klassenkampfes für unerlässlich. In kurzen, von 1 bis 76 durchnummerierten Kapiteln versuchen sie ihre Thesen zu untermauern. Allerdings bedienen sie sich dabei einer recht komplizierten Ausdrucksweise. Oder liegt es an einer manchmal allzu wörtlichen Übersetzung aus dem Französischen? Jedenfalls ist es stellenweise nicht ganz leicht, den Ausführungen der beiden Wissenschaftler zu folgen.
Allerdings war Latour bereits vor Jahren - zusammen mit anderen seines Fachs - in die Kritik geraten, als der amerikanische Physiker Alan Sokal in einer sozialwissenschaftlichen Fachzeitschrift bewusst einen Artikel voller inhaltlicher Fehler in schönstem „Soziologen-Sprech“ veröffentlichte. Niemand von den Prüfenden – auch nicht Latour – hatte den unsinnigen Inhalt bemerkt. Als Sokal selbst den „Hoax“ bekannt machte, gab es den entsprechenden Aufruhr.
Die „neue ökologische Klasse“ ist zutiefst heterogen
In ihrem Buch stellen Latour und Schultz nun fest, dass der neue Klassenkampf von völlig anderen Gruppen und Personen getragen werden muss als bisherige soziale Auseinandersetzungen. Die Autoren beschreiben die „Neue ökologische Klasse“ als zutiefst heterogen. Sie setze sich zusammen aus Menschen unterschiedlichster Herkunft und Bildung sowie verschiedenster Alters-, Berufs- und Einkommensgruppen. Die Trennlinien gingen quer durch Familien und Freundeskreise: „Im Hinblick auf ökologische Themen sind die Fronten zwischen Verbündeten und Gegnern nicht klar gezogen“, schreiben sie. Und weiter: „Wenn sich Auseinandersetzungen um die Ökologie drehen, wem fühlst du dich nahe und wem erschreckend fern? Die Entstehung eines möglichen ‚Klassenbewusstseins‘ ist nur um diesen Preis zu haben.“
Man könnte das auch altmodischer so formulieren: Alle Menschen, die guten Willens sind, schließen sich zur Rettung unseres Planeten zusammen. Das klingt nach einem christlichen Menschenbild. Die Autoren berufen sich allerdings weniger auf die Bibel als auf Karl Marx. Überhaupt schlagen sie nicht selten einen polemischen, ja sogar kriegerischen Ton an. Insofern erscheint ihre Veröffentlichung eher als Manifest denn als wissenschaftliche Publikation. Sie ist auch nicht frei von Wiederholungen und Widersprüchen. Vielleicht ist Letzteres ein Ausdruck unserer Zeit und der Vielschichtigkeit der Erfordernisse, die angepackt werden müssen. Dass jedoch die einzige Antwort auf unsere ökologischen Probleme, wie 76 Mal postuliert wird, ein neuer „Klassenkampf“ oder sogar ein „Krieg“ sein sollte, das muss man in Anbetracht der gegenwärtigen weltweiten Tendenzen zur Radikalisierung und Intoleranz nicht unbedingt teilen. Vielleicht bringt uns dann doch eher die christliche Ethik voran.
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