Liebe in Zeiten des Umbruchs

Amir Hassan Cheheltan: Eine Liebe in Kairo. Verlag C. H. Beck, München 2022, 380 Seiten, 25 Euro

Amir Hassan Cheheltans historischer Roman zeichnet ein Bild von Ägypten kurz vor dem Ende der Monarchie. Das interessante Zeitporträt hat allerdings erzählerische Schwächen.

Amir Hassan Cheheltan, 1956 in Teheran geboren, gehört zu den großen Erzählern des Iran, der mit seinen Worten Zeitbilder und Landschaften erschafft. Seine Teheran-Trilogie etwa ist ein Kaleidoskop der iranischen Hauptstadt nach der islamischen Revolution von 1979 und deren dunkle Seiten, der Bordelle und Gefängnisse. Sein neuester auf Deutsch vorliegender Roman spielt im Kairo der 1940er Jahre, in einer Zeit des Umbruchs und der Modernisierung. Hauptfigur ist ein (namenloser) iranischer Botschafter, der nach Kairo geschickt wurde, um Fausia, die Schwester des ägyptischen Königs, zur Rückkehr in den Iran zu bewegen.

Fausia ist nämlich mit Schah Mohammed Reza Pahlevi verheiratet, hat es aber in Teheran nicht ausgehalten und ist deshalb in ihre ägyptische Heimat zurückgekehrt. Darüber hinaus soll der Botschafter dafür sorgen, dass eine Leiche nach Persien zurückgebracht wird: Der Vater des Schahs ist in Johannesburg verstorben, sein Leichnam lagert in der ägyptischen Hauptstadt. Während sich der Botschafter an diesen kaum lösbaren Aufgaben abarbeitet und dabei immer frustrierter wird, verliebt er sich in Sakineh, die Frau eines indischen Philosophieprofessors. 

Der Botschafter geht seiner Affäre nach, und Cheheltan entfaltet in der Erzählung die politischen Konflikte der damaligen Epoche. Es ist die Zeit vor der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948. Juden und Palästinenser ringen um das Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan, stehen aber noch unter britischem Mandat. Jüdische Untergrundkämpfer überfallen palästinensische Dörfer, Palästinenser brennen jüdische Einrichtungen nieder, während die Briten tatenlos zuschauen. 

Parallelen zu heute

Cheheltan beschreibt die Uneinigkeit der arabischen Staaten, die zwar mit Worten die palästinensische Sache verteidigen, tatsächlich aber nichts in deren Sinn unternehmen. In Ägypten regiert noch König Farouk, der erst 1952 von den Freien Offizieren unter der Führung von Gamal Abdel Nasser gestürzt wird. Das gesamte Königshaus führt ein dekadentes, ausschweifendes Leben ohne jedes Interesse an Ägypten und dem Schicksal seiner Bewohner. Die Parallelen zu heute sind offenkundig. Wer Cheheltan und seine Beiträge zum Zeitgeschehen kennt, kann diese Passagen nur als einen bitterbösen Kommentar zum gegenwärtigen Nahen Osten verstehen. 

Auch halten die arabischen Staaten die Rechte der Palästinenser hoch, während sie de facto kaum etwas für sie tun. Die Europäer kommen im Roman ebenfalls nicht gut weg. Sie führen sich auf, als seien sie „die Krone der Schöpfung“, wie der Ehemann von Sakineh, der Geliebten des Botschafters, sagt. Als Porträt einer Zeit des rasanten Wandels in Ägypten und im Nahen Osten ist Cheheltans Roman interessant zu lesen, hat aber erzählerische Schwächen. Die Figur des Botschafters überzeugt nicht, und die Geschichte schleppt sich so langsam dahin wie die Audienzen des Botschafters bei König Farouk. Die Hauptfigur ist ein misogyner Karrierist, der der Welt mit Zynismus begegnet und nur kurz eine unerwartete Liebe erlebt – um dann die Geliebte zu verlassen und auf einen neuen Karriereschritt zu hoffen.

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