Von Geistern, Kämpfen und Konzernen

Imbolo Mbué: Wie schön wir waren. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021, 448 Seiten, gebunden 23 Euro, E-Book 14,99 Euro

Der Roman der in Kamerun aufgewachsenen US-Autorin Imbolo Mbué beschreibt in kraftvoller Sprache den Kampf eines fiktiven afrikanischen Dorfes gegen die herrschenden Eliten und einen Ölkonzern. 

Dieser zweite Roman von Imbolo Mbué ist eigentlich ihr erster. Die Autorin, 1982 in Kamerun geboren, begann ihn im Jahr 2002 noch während ihres Studiums in den USA. Weil sie mit dem Manuskript nicht recht vorankam und überdies ihre Arbeitsstelle im Marketing eines Medienunternehmens im Zuge der Finanzkrise verlor, verfasste sie zunächst ihren 2016 erschienenen, erfolgreichen ­Debütroman „Das geträumte Land“, der in der Zeit der Finanzkrise spielt. Im selben Jahr holte sie dann aber auch ihr Erstlingswerk wieder hervor und vollendete es schließlich. 

„Wie schön wir waren“ handelt vom Kampf ­einer fiktiven afrikanischen Dorfgemeinschaft gegen einen US-amerikanischen Ölkonzern sowie eine einheimische diktatorische Regierung. Mbué selbst stammt aus einem dorfähnlichen Sektor von Limbe, dem Zentrum der kamerunischen Ölindustrie. Die Bewohner von Kosawa – so der Name des Romanschauplatzes – radikalisieren sich, denn ­Öllecks verseuchen Land, Luft und Wasser und verursachen Krankheit und Tod. Einige Kinder des Dorfes greifen im Verlauf des Romans zur Waffe, nachdem alle anderen Mittel des Widerstands versagt haben.

Und doch ist es nicht in erster Linie die Geschichte eines ungleichen politischen und juristischen Kampfes. Die Geschichte erschließt sich nach und nach aus den verschlungenen Erzählungen der Dorfbewohner über deren persönliches Leben, die sich über vier Jahrzehnte erstrecken und die das eigentliche Thema des Romans sind: In einer ebenso kraftvollen wie eindringlichen Sprache lässt Mbué ihre Leserinnen und Leser tief in die Erfahrungs-, Gefühls- und Gedankenwelten der Menschen Kosawas eintauchen. Allerdings geht das nicht selten auf Kosten des Spannungsbogens: Die Autorin erzählt mit langem Atem, aber auch langatmig. 

„Geister hatten inzwischen Gewehre“

Die Sichtweisen der Dorfgemeinschaft sind reich an okkulten Elementen und Mystizismus. Thula, die Protagonistin des Romans, die zur Anführerin der Rebellen wird, studiert wie Mbué in jungen Jahren in den USA. Einmal schreibt sie nach Hause, solange Menschen nicht in der Welt des Dorfes gelebt hätten, würden sie nie verstehen, wie schwach die Gesetze der Natur in Wirklichkeit sind. Am deutlichsten wird die Gratwanderung zwischen Okkultismus und Realität, als ein Dorfbewohner drei Arbeiter des Ölkonzerns erschießt und Frauen auf einem Markt einen Geist für den Täter halten. „Geister hatten inzwischen Gewehre“, so der lakonische Kommentar aus Sicht der Rebellen. 

In die Jahre gekommen, erinnern sich die Rebellen gegen Ende des Buches an grüne Hügel vor der Zeit der Ölteppiche und Gasfackeln und erzählen über Kosawa: „Wir werden es nie vergessen, dieses prächtige Stück Erde, das es einst war. Wir können es nicht vergessen, denn dort waren unsere Seelen heil.“ Darauf bezieht sich wohl auch der Titel des Romans. Oft hat man den Eindruck, dass der Kampf gegen den Ölkonzern für Mbué ein Aufhänger ist, um die verlorene afrikanische Heimat heraufzubeschwören und so zurückzugewinnen.

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