Der an der Universität Eichstätt wirkende Wissenschaftler Olivier Ndjimbi-Tshiende hat in seinem Heimatland, der Demokratischen Republik Kongo, Menschen interviewt, die zur Auswanderung entschlossen sind. Hauptmotiv ist für viele ein Gefühl der Ohnmacht.
„Die meisten Leute, die auswandern möchten, suchen nach einem guten Leben“, zitiert Olivier Ndjimbi-Tshiende einen seiner vielen Gesprächspartner, die er 2018 in der Demokratischen Republik Kongo befragte. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Zentrum Flucht und Migration der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt war in sein Heimatland gereist, um die Ursachen von Migration und Flucht zu untersuchen mit dem Ziel, die Integration von Geflüchteten oder Migranten in Deutschland zu verbessern.
Ein anderer Gesprächspartner beschwor das Bild, das man von Europa und Nordamerika habe. „Man denkt, dass dort nicht einmal der Tod existiert, man hat das Gefühl, dass alles schön ist, dass es keine finsteren Orte gibt, alles ist erleuchtet.“ Ein weiterer Gesprächspartner verweist auf seinen Schwager, der in die USA gegangen sei. „Wenn es heute einen Notfall in der Familie gibt, kann er bis zu 1000 Dollar schicken.“
Obwohl die Interviewten den Wunsch nach einem besseren Leben in Europa oder Nordamerika als besonders wichtig herausstellen, gehen die Gespräche wesentlich tiefer. Sehr präzise sprechen sie die politischen Umstände an, die viele Menschen zur Migration zwingen – sei es, dass ihre Dörfer von marodierenden Banden gebrandschatzt werden, sei es, dass Menschen ermordet und vertrieben werden.
Ohnmacht gegenüber „den Mächtigen“
Nicht gespart wird auch mit Kritik an der eigenen Regierung, die die Bedürfnisse der Bevölkerung nicht erfülle, wie es immer wieder heißt. Hier zeigt sich ein bemerkenswertes politisches Bewusstsein sogenannter „einfacher Leute“, aber auch ein tiefes Gefühl der Ohnmacht gegenüber „den Mächtigen“.
Als tiefere Ursachen der schlimmen Verhältnisse im Land macht der Autor die Folgen der Kolonialzeit aus, die trotz langjähriger Unabhängigkeit die politischen und sozialen Verhältnisse nach wie vor bestimmten. Allerdings – das ist ein Schwachpunkt der Publikation und seines Fazits – fallen seine Lösungsvorschläge eher pauschal aus. Die Staatsführung müsse grundsätzlich geändert werden, stellt er fest. Er prangert die Korruption im Kongo und den Kauf von Wählerstimmen an und schlussfolgert: „Für Länder wie die Demokratische Republik Kongo braucht es eine Form der Demokratie, die wie eine Familie funktioniert“, denn: „In einer gut funktionierenden Familie kümmert sich jeder Familienvater und jede Familienmutter um das Wohl aller Familienmitglieder“. So müsse auch eine gute Regierungsführung aussehen. Zu dumm, dass die Wirklichkeit nicht nur in Afrika eine ganz andere ist!
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