Der Demografie-Experte Reiner Klingholz beschreibt, wie Überkonsum und Überbevölkerung zu Übernutzung und Zerstörung der Umwelt führen. Er plädiert für eine ressourcenschonende nachholende Entwicklung, das sogenannte Leapfrogging.
Ein häufiges Argument in der Debatte über Klimawandel und Umweltzerstörung ist, man könne den Armen der Welt, die kaum zum Problem beigetragen haben, nicht das Recht verwehren, mehr und besser zu konsumieren. Als prominentes Beispiel präsentiert der Autor China, dessen enormer wirtschaftlicher Aufschwung auf Kosten der Umwelt gegangen ist. Heute ist das Land der größte Emittent von Treibhausgasen. Ähnliches prognostiziert Klingholz afrikanischen oder asiatischen Ländern, die sich schnell entwickeln.
Klingholz erläutert das am Beispiel Bangladesch, das die vier Grundregeln der Entwicklung befolgt und in Gesundheit, Bildung, Jobs und Frauenrechte investiert habe. Die Geburtenrate sei dadurch von 7,4 Kindern pro Frau im Jahr 1985 auf knapp über vier gesunken. Ob das Nebeneffekt oder Ziel der staatlichen Strategie gewesen ist, lässt Klingholz unbeantwortet. Im Zuge dieser Politik stiegen aber Emissionen und Müllberge weiter an, natürliche Lebensräume samt Tier- und Pflanzenarten schwänden, Treibhauseffekt und Ozeanverschmutzung verschärften sich.
Der Lösungsvorschlag, den der Demografie-Experte und gelernte Chemiker macht, besteht aus zwei Teilen. Zum einen aus dem sogenannten Leapfrogging im globalen Süden, wo noch Wachstum nötig ist, wie es der Autor in Staaten wie Nigeria und Äthiopien ansatzweise beobachtet. Dabei werden ineffiziente, umweltschädliche und kostspielige Entwicklungsstufen übersprungen. Würde das konsequent befolgt, so wäre das 2-Grad-Ziel noch zu erreichen, betont Klingholz.
Rekordhitzewellen: Der Aufenthalt im Freien würde unmöglich
Weiterzumachen wie bisher – und das trifft auf den globalen Norden und Süden gleichermaßen zu – würde der Erde dagegen einen Temperaturanstieg um 3,8 Grad bescheren. Dann wäre ein normaler Arbeitsaufenthalt im Freien für über eine halbe Milliarde Menschen unter Rekordhitzewellen kaum mehr möglich. Nahrungsunsicherheit und Wassermangel würden sich unter diesen Bedingungen weltweit weiter verschärfen.
Der globale Norden wiederum müsse sich von seiner Wachstumsideologie endgültig verabschieden und verstehen, warum ein höheres Bruttoinlandsprodukt pro Kopf gar nicht erstrebenswert sei – weil es nämlich als „unökonomisches Wachstum“ mehr Schaden als Nutzen bringe. Auch das im Norden gern praktizierte Auslagern klimaschädlicher Produktion und das Vertrauen auf neue Technologien seien keine Hilfe. Mit dem Auslagern würden die schwarzen Flecken in der Klimabilanz nur ins Ausland verschoben, und neue Technologien, die Energie einsparen helfen, hätten in der Vergangenheit immer zu Mehrverbrauch geführt.
Die Thesen sind plausibel und ruhen auf dem Fundament jahrzehntelanger Erfahrung. Das Buch ist anschaulich geschrieben und trotz der düsteren Inhalte leicht zu lesen. Neben apokalyptischen Szenarien hat Klingholz am Ende auch einen optimistischen Blick in die Zukunft und sowohl für Staaten als auch für die konsumierende Bevölkerung eine Anzahl von Vorschlägen parat, wie die Klimaziele erreicht werden können. Die meisten sind zwar weder neu noch originell, aber leider noch längst nicht allgemein akzeptiert, so etwa ein Tempolimit auf Autobahnen, die Subventionierung fossiler Energien zu stoppen oder Wälder zu schonen. Die größte Aufgabe des 21. Jahrhunderts besteht demnach darin, endlich vom Wissen zum Handeln zu kommen.
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