Die französische Politologin Séverine Autesserre beschreibt in ihrem Buch anhand etlicher internationaler Beispiele Erfolge örtlicher Friedensinitiativen und analysiert, was sich aus ihnen lernen lässt.
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo sind seit über zwanzig Jahren Friedenstruppen der Vereinten Nationen stationiert. Wirklichen Frieden und Stabilität aber haben sie nicht gebracht, die Region wird immer wieder von Gewalt erschüttert. Für die französische Politikwissenschaftlerin Séverine Autesserre, die als Nothelferin und Forscherin mehrere Jahre in der Demokratischen Republik Kongo verbracht hat, ist das keine Überraschung. Die internationalen Stabilisierungsmissionen und die Abkommen, die von ihnen überwacht werden sollen, sind für die Autorin Sinnbild eines kurzsichtigen Ansatzes in der globalen Friedenspolitik: des Gedankens, die Gewalt schon dadurch einzudämmen zu können, dass man Eliten, Regierungsvertreter und Rebellenführer dazu bringt, einen Friedensschluss zu unterzeichnen.
Autesserre, die an der Columbia University in den USA forscht, geht in ihrem Buch nicht dem Scheitern solcher Bemühungen nach, sondern erzählt Geschichten von erfolgreicher Friedensförderung, etwa auf der Insel Idjwi im Kivu-See im Ostkongo. Detailliert beschreibt sie, wie die Bevölkerung dort trotz ethnischer Spannungen Wege gefunden hat, Konflikte gewaltfrei zu lösen, indem sie auf traditionelle Praktiken wie rituellen Bluttausch zurückgreift und Priester, Jugendgruppen oder Älteste als Vermittler einbindet.
Auch in anderen Regionen der Welt macht die Autorin solche Oasen des Friedens aus, beispielsweise in Kolumbien, Israel oder in Afghanistan. Die meisten Konfliktgebiete hat sie selbst besucht, ihre Schilderungen beruhen auf Gesprächen mit einfachen Leuten, Aktivisten, religiösen Führern und Dorfältesten. Nur durch Zuhören ließen sich die Ursachen lokaler Konflikte verstehen, die häufig mit Streit um Wasser und Land oder Zerwürfnissen wie Scheidungen oder Schulden sowie historischen Ereignissen zu tun hätten, schreibt Autesserre.
„Friedensstifter“ in ihrer eigenen Blase
Dass Diplomaten, Vertreter nichtstaatlicher Organisationen oder der Vereinten Nationen derlei Hintergründe bei der Konfliktbearbeitung viel zu wenig in den Blick nehmen, ist einer der zentralen Kritikpunkte des Buchs. Autesserre zeichnet das Bild einer internationalen Klasse von „Friedensstiftern“, die in ihrer eigenen Blase leben und die Sicht örtlicher Akteure systematisch ausschließen. Bissig und anekdotenreich arbeitet sie sich an denen ab, die von einem Konfliktherd zum nächsten wechseln und dabei die immer gleichen Rezepte im Gepäck haben.
Autesserre wendet sich jedoch nicht grundsätzlich gegen eine Einbindung von Eliten in Friedensprozesse, sondern plädiert für die Verknüpfung von Graswurzeln und Baumkronen. Am Beispiel der autonomen Region Somaliland schlüsselt sie auf, wie lokale Mediation und Initiativen zur Entwaffnung Hand in Hand mit einem demokratischen Staatsaufbau gehen können.
Im Mittelpunkt aber steht die Forderung, die Betroffenen selbst entscheiden zu lassen, wie sie Konflikte lösen wollen. Außenstehende könnten sie dabei begleiten und unterstützen, meint Autesserre. Dafür aber brauche es mehr Offenheit und langfristige Einsätze in den jeweiligen Ländern. Das klingt nach einem mühsamen, aber lohnenswerten Unterfangen, das einen langen Atem und viel persönliches Engagement erfordert. Das zugängliche Buch von Autesserre zu lesen, ist ein erster Schritt auf diesem Weg.
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