Der Sammelband enthält 14 Fallstudien zur Nutzung von Smartphones in unterschiedlichen Teilen der Welt. Ein zusammenhängendes Bild gesellschaftlicher Umwälzungen ergibt sich daraus aber nicht.
Der Sammelband erscheint in der Reihe „Rethinking Development“ des renommierten Routledge-Verlags. Der verspricht vollmundig, das Buch erkläre, wie die Digitalisierung über die Nutzung von Mobiltelefone die Gesellschaften auf der ganzen Welt verändert habe. In der Tat, bald gibt es auf der Erde sechs Milliarden Handynutzer, und die meisten haben damit auch Zugang zum Internet. Da lohnt es, darüber nachzudenken, wie diese Technik die Welt innerhalb von kaum 20 Jahren verändert hat. Das Mobiltelefon als Fenster zur Welt, als Mittel zur Inklusion, aber auch als Kontrollinstrument.
Die Herausgeber, die Politikwissenschaftlerin Stefanie Felsberger, gegenwärtig Doktorandin in Cambridge, und Ramesh Subramanian, Informationswissenschaftler an der Quinnipiac-Universität im US-Bundesstaat Connecticut, haben 14 Fachkolleginnen und -kollegen um Fallstudien aus unterschiedlichen Teilen der Welt gebeten. Die Beiträge sind thematisch den drei Überschriften „Zugang“ (zu mobiler Telekommunikation und zum Internet), „Kontrolle“ und „Sozialer Wandel und Chancen“ zugeordnet.
Ein bunter Strauß unterschiedlicher Beiträge
Sie unterscheiden sich in Aufbau, Herangehensweise und Schreibstil erheblich. Viele sind eher wissenschaftliche Abhandlungen mit ausführlicher Methodendarstellung, die auch in wissenschaftlichen Zeitschriften ihren Platz gefunden hätten. Das gilt zum Beispiel für die Untersuchung über den Zugang der armen Landbevölkerung in Indien, an deren Ende die wenig überraschende Erkenntnis steht, dass Arme von der Handynutzung ausgeschlossen werden, wenn es keine Help-Line in lokalen Sprachen gibt.
Andere Beiträge sind eher räsonnierende Essays oder Reportagen. So ist das Kapitel, in dem erzählt wird, wie Brasiliens nationale Telekommunikationsbehörde ANATEL durch restriktive Genehmigungspraxis soziale Randgruppen systematisch vom Zugang zu Handys ausgeschlossen hat, eine investigative Reportage und spannend wie ein Krimi. Das Kapitel über Syrien stellt die Person des Informatikers Bassel Safadi in den Mittelpunkt, der in den Anfangsjahren des syrischen Bürgerkrieges mit Open-Source-Software ein autonomes, selbstorganisiertes Internet aufbauen wollte. Eine Geschichte mit traurigem Ausgang: Erst musste Bassel für drei Jahre ins Gefängnis, schließlich ließ ihn das Assad-Regime ermorden.
Kein zusammenhängendes Bild
Die Auswahl der Fallstudien ist ziemlich willkürlich, zumindest gemessen an dem Anspruch, einen globalen Wandel aufzuzeigen. Afrika südlich der Sahara ist nur mit einem Beitrag über Botsuana vertreten, ein eher untypisches Land. Auch kommt nicht vor, wie Mobiltelefone in Ostafrika über die Funktion M-Pesa erstmals Menschen ohne Konto bargeldlosen Zahlungsverkehr ermöglicht haben. Die Fallstudien aus Asien – zur Bedeutung von Handys als Katalysator der Demonstrationen während der Regenschirmrevolte 2014 in Hongkong oder aus Korea zur Rolle von Smartphones während des Impeachment-Verfahrens gegen die frühere Präsidentin – sind heute eher von historischem Interesse.
Die Herausgeber haben einen bunten Strauß von unterschiedlichen Einzelbeiträgen zusammengestellt. Leider ergibt sich daraus kein zusammenhängendes Bild der weltweiten gesellschaftlichen Umwälzungen durch Smartphones.
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