Zweischneidiges Paradies

Die Journalistin und Religions- und Politikwissenschaftlerin Katja Buck beschreibt anhand alltäglicher Begegnungen das Dilemma der Modernisierung im pazifischen Inselstaat Vanuatu, der im März im Mittelpunkt des Weltgebetstags der Frauen steht. 

Katja Dorothea Buck: Kleines Land im großen Meer. Missionshilfe-Verlag, Hamburg 2020, 176 Seiten, 9,80 Euro
Die Bewohner des Archipels im Pazifik zählen laut Happy Planet Index der britischen New Economics Foundation zu den glücklichsten Menschen der Welt. Ob diese Aussage der Wirklichkeit standhält, untersucht Katja Dorothea Buck. Sie ist im Frühjahr 2020 nach Vanuatu gereist, um im Auftrag des Evangelischen Missionswerks in Deutschland und des Deutschen Komitees des Weltgebetstags den Weltgebetstag der Frauen 2021 mit vorzubereiten. „Interessante Geschichten“ mitzubringen, wurde ihr zusätzlich mit auf den Weg gegeben. 

Buck schildert in lockerem, persönlichem Ton, wie die Ni-Vanuatu – so bezeichnen die Inselbewohner sich selbst – ihr Einblicke in ihren Alltag und Überlebenskampf geben. Außer Sonnenschein bietet die Natur im Südpazifik von alters her auch immer wieder Vulkanausbrüche, Erdbeben, Wirbelstürme, Tsunamis und Überschwemmungen – vom heraufziehenden Klimawandel, dem rasanten Bevölkerungswachstum und damit einhergehenden sozialen Verwerfungen ganz zu schweigen. Vielleicht hilft den Menschen ihre starke christliche Prägung, all diese Unbill mit bewundernswertem Optimismus und großer Tatkraft zu bewältigen, wie die Autorin in ausführlichen Gesprächen erfährt. Beeindruckt war sie, als ihr von dem jüngst über die Inselgruppe hereingebrochenen Zyklon Pam berichtet wurde, der totale Verwüstung hinterließ. Unverdrossen und ohne zu klagen machten die Menschen sich ans Aufräumen und Wiederherstellen. Als Buck ihr Erstaunen zum Ausdruck brachte, meinten die Interviewten nur trocken: „Wir sind daran gewöhnt.“ 

Die Modernisierung der Inselgruppe, deren einzige Einkommensquelle jenseits von Subsistenzwirtschaft und informellem Sektor der Tourismus ist, erfordert Investitionen in Verkehrs- und Kommunikationsmittel, Gesundheit und Bildung; die Einkommensmöglichkeiten sind bescheiden. 

Der Archipel ist von sehr unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen bewohnt, die erst seit der Unabhängigkeit von Großbritannien und Frankreich 1980 allmählich zu einer Nation zusammenwachsen. Ihre gemeinsame Identität leiten sie von „Kastom“, den traditionellen Sitten und Überlieferungen her. „Kastom“ als inoffizielles „Grundgesetz“ sorgt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und wird sowohl von Männern als auch von Frauen immer wieder in den höchsten Tönen gepriesen. 

Doch „Kastom“ bestimmt auch, welche Rollen und Tätigkeiten einzelnen Menschen zukommen und wer wen heiratet. So wichtig Traditionen für eine stabile Identität sind, so sehr behindern sie oft die individuelle Entwicklung und den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt – nicht zuletzt für Frauen. Gerade sie schütten Buck gegenüber nach und nach ihre Herzen aus. Sie berichten von schweren Schicksalen oder stellen nüchtern fest, dass die meisten Männer ein wenig produktives Leben führen, während die Frauen mit harter Arbeit für Haus, Kinder und Alte sorgen – und das in der Regel am Existenzminimum. 

Das Land sucht den Anschluss an die Moderne und braucht, wie die Autorin betont, gute Ausbildungsstätten und eine leistungsfähige Infrastruktur. Allerdings hat die winzige Inselgruppe keine geostrategische Bedeutung und fällt immer wieder durch das Raster der Entwicklungszusammenarbeit. So haben seit einigen Jahren Immobilienhaie leichte Hand, die besten Grundstücke in den Städten und die schönsten Strandareale für wenig Geld aufzukaufen und Gewinne ins Ausland zu transferieren.

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