Mörderische Freundschaft 

Der Roman des kapverdischen Schriftstellers Germano Almeida beleuchtet die postkolonialen Beziehungen zwischen den Geschlechtern und Regierenden und Regierten. Er pendelt dabei gekonnt zwischen Krimi, Künstlerroman, Romanze und Gesellschaftssatire.

Germano Almeida: Der treue Verstorbene. Übersetzung von Michael Kegler. Transit, Berlin 2020, 304 Seiten, 24 Euro
Der berühmteste Autor der Kapverden soll in der Hafenstadt Mindelo seinen neuen Roman vorstellen. Doch noch bevor Miguel Lopes Macieira die Bühne betritt, nähert sich ihm sein bester Freund Edmundo, zückt eine Pistole und schießt ihm ins Herz. Der Mörder und seine schöne Frau entkommen im Tumult. Nach diesem Knall beschreibt Germano Almeida in seinem Roman, wie es zu dieser Tat kam.

Germano Almeida, 75 Jahre alt und in Mindelo praktizierender Rechtsanwalt, gilt selbst als renommierter Autor der westafrikanischen Inselgruppe. Sein erstmals auf Deutsch vorliegender Roman besticht durch eine elegante Sprache, einen klugen Plot und oft beißenden Spott. Almeida entfaltet eine Geschichte voller Eifersucht und Sehnsucht, Irrungen und Wirrungen, die zwischen Kriminalroman, Romanze, Künstlerroman und Gesellschaftssatire hin und her pendelt. Für Krimi-Puristen ist das nichts. 

Almeidas Protagonist Miguel Lopes Macieira ließ sich einst nach einem längeren Portugalaufenthalt auf den Kapverden nieder, um sich dort ganz und gar dem Schreiben zu widmen. Als erfolgreicher, mittlerweile aber auch von seiner Ehefrau verlassener Autor freundet er sich mit dem Bauunternehmer Edmundo an und lernt auch dessen Freundin und spätere Frau Matilde kennen. Sie und der Dichter fühlen sich zueinander hingezogen und entwickeln eine intensive Freundschaft. Entsprechend geht es viel um Liebe, Freundschaft und Verrat. 

Almeida beschreibt auch, wie stark viele Kapverdier der akademischen Oberschicht noch immer von kolonialen Denkmustern geprägt sind. Die atlantische Inselgruppe westlich der Küste Senegals erlangte 1975 ihre Unabhängigkeit von portugiesischer Fremdherrschaft. Heute wohnen dort rund 450.000 Menschen – über 900.000 aus Kapverden stammende Menschen leben dagegen im Ausland. Denn seit dem 19. Jahrhundert haben Hunger und Armut Abertausende Inselbewohner in die Emigration gezwungen, vor allem nach Amerika und Portugal.

In Almeidas Roman blicken fast alle Angehörigen der schmalen wirtschaftlichen und intellektuellen Oberschicht des Inselstaates auf Jahre ihres Lebens zurück, die sie in Lissabon verbracht haben. Als Rückkehrerinnen und Rückkehrer verehren sie weiterhin die portugiesische Kultur und Sprache – und verschmähen das einheimische Crioulo, eine Mischung aus Portugiesisch und afrikanischen Vokabeln. Zugleich pflegen sie traditionelle Rollenbilder. Männer stellen ihre Bedürfnisse selbstverständlich über die ihrer Frauen; diese nehmen nur zaghaft ihr Leben in die Hand. So hält es der Mörder für sein Recht, dass seine Frau außer ihm niemanden liebt.

Auch die neue politische Elite des Landes hat noch nicht gelernt, den Willen der Bürger zu respektieren. Das führt Almeida in einer furiosen Schlussszene vor: Der verstorbene Autor hat als Atheist in seinem Testament seine Kremation verfügt. Dennoch lassen Präsident und Premier den Leichnam im Palast des Volkes aufbahren, bis er stinkt. Danach zelebriert der Erzbischof von Mindelo mit viel Pomp eine katholische Erdbestattung. Der Kolonialismus lässt sich nicht so leicht abschütteln.

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