Andreas Nöthen beschreibt in seinem Buch den Werdegang des brasilianischen Staatspräsidenten Jair Bolsonaro und erläutert einfach verständlich dessen populistische Politik.
Jair Bolsonaro wurde 2018 nach einer Reihe von Korruptionsskandalen der damaligen brasilianischen Regierung unter Michel Temer zum Staatspräsidenten gewählt. Dabei hatte bis dahin wenig auf einen solchen Aufstieg hingedeutet, schreibt der aus Rio de Janeiro berichtende Journalist Andreas Nöthen in seiner Biografie des heutigen Staatspräsidenten.
1955 geboren, stammt Bolsonaro aus einfachen Verhältnissen. Während der Militärdiktatur von 1964 bis 1985 wird er Soldat. 1988 – und damit wieder unter ziviler Regierung – wird er aus dem Militärdienst entlassen, weil er in die Planung eines Bombenattentats verwickelt war, das den Forderungen des Militärs nach einem höheren Sold mehr Druck verleihen sollte. Vor Gericht wird er zwar aus Mangel an Beweisen freigesprochen und darf seinen Status als Hauptmann in der Reserve behalten. Praktisch aber ist er arbeitslos und kandidiert erfolgreich als Stadtratsabgeordneter in Rio de Janeiro. Dabei hilft ihm sein Versprechen, neuen Wind in die alten Strukturen zu bringen und gegen die Korruption zu arbeiten. Zwei Jahre später schafft er den Sprung in die Abgeordnetenkammer des Kongresses, wo er die folgenden 28 Jahre lang kaum auffällt.
Bis er sich entscheidet, als Präsidentschaftskandidat anzutreten. Unterstützt wird er dabei von seiner Familie, vor allem von seinen drei ältesten Söhnen, und nicht von einer bestimmten Partei – Parteimitgliedschaften wechselt er in dieser Zeit immer wieder. Er verspricht, für mehr Sicherheit und weniger Korruption zu sorgen, stigmatisiert Minderheiten, schimpft über die Medien, leugnet den Klimawandel und vertritt eine neoliberale Wirtschaftspolitik.
Seinen Wahlkampf führt er größtenteils über die sozialen Medien mit gezielten Lügen über seine Gegner. Den Wahlsieg ermöglichen ihm auch evangelikale Kirchen, die eine große Anhängerschaft haben und ihn aktiv im Wahlkampf unterstützen – wofür einige Pastoren später wichtige Ministerposten erhalten. Zudem darf sein populärster Konkurrent, der frühere Präsident Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei, nach einem international umstrittenen Korruptionsprozess und einer ebenso umstrittenen Haftstrafe nicht kandidieren.
Während Bolsonaros Präsidentschaft müssen immer wieder Mitglieder seines Kabinetts gehen, weil die Justiz wegen Korruptionsvorwürfen gegen sie ermittelt oder ihre Politik von der brasilianischen Öffentlichkeit als zu extrem eingeschätzt wird. Andere entlässt er, weil sie gegen seinen Kurs verstoßen, etwa den Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta, als dieser striktere Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus fordert.
Laut Nöthen nimmt die Gewalt im Land zu, seit Bolsonaro an der Macht ist. So würden die Rechte der Indigenen ignoriert und ihre Gemeinschaften im Amazonasgebiet immer häufiger von Großgrundbesitzern angegriffen und vertrieben. In den Armenvierteln wachse die Polizeigewalt, die Kürzung öffentlicher Sozialausgaben treibe die soziale Spaltung voran. Die Zukunft des Präsidenten wird sich laut Nöthen an der wirtschaftlichen Lage des Landes entscheiden. Sollte sich diese nach der Coronapandemie schnell erholen, hätte Bolsonaro sein Versprechen eingelöst. Dass dies passieren wird, bezweifelt der Autor unter den jetzigen Umständen aber stark.
Nöthen schreibt flüssig und verständlich. Seine Biografie Bolsonaros zeichnet auch die Geschichte Brasiliens und seiner gesellschaftlichen Probleme nach. Hier könnte der Blick allerdings kritischer sein. So werden die rassistischen Strukturen, die für Bolsonaros Wahlsieg eine wichtige Rolle gespielt haben, kaum analysiert. Für die, die sich bisher wenig mit dem Land beschäftigt haben, ist das Buch eine gute Einstiegslektüre. Für alle anderen ist es eine empfehlenswerte Sammlung von Informationen über Bolsonaros Karriere.
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