Witze wie Fausthiebe 

In seinen erstmals auf Deutsch vorliegenden Kurzgeschichten schildert der im Libanon aufgewachsene Schriftsteller Mazen Maarouf Erfahrungen von Gewalt, Verstümmelung und Demütigung auf ebenso plastische wie surrealistische Weise.

Eine grausame, mitleidlose Welt lässt Mazen Maarouf in seinen 14 Kurzgeschichten aufscheinen. Und doch berichten seine Protagonisten darüber nahezu emotionslos. Mal sind die Icherzähler tatsächlich noch Kinder, mal berichten sie einfach nur mit kindlichem Blick. So etwa in der Geschichte „Das Grammophon“, in dem ein erwachsener Sohn erzählt, wie sein Vater, der als DJ Nacht für Nacht in einer Beiruter Kellerbar ein Grammophon ankurbelte, vor vielen Jahren bei einem Bombenangriff beide Arme verlor. „Er lag mit diesen breiten Schultern im Bett wie ein Superheldenroboter, dessen Arme nach einem brutalen Kampf gegen irgendwelche Schurken abgeschnitten worden waren.“ Später wünscht sich der Vater von seinem Teenagersohn, dass dieser ihm einen seiner Arme zur Transplantation zur Verfügung stellt. „Was ist denn schon ein Arm wert im Vergleich dazu, dass du mich glücklich siehst, oder ich dich?“ Dass der Sohn es nicht tut, verfinstert nicht nur das Leben des Vaters, der schon lange nicht mehr er selbst ist, sondern auch das des Sohnes. 

Angesichts der ständigen Bombenanschläge, Militärpräsenz und äußerlich völlig abgestumpfter Menschen verwundert es auch nicht, dass der kindliche Protagonist in der Titelgeschichte „Ein Witz für ein Leben“ den nicht näher definierten „Bewaffneten“ seinen gehörlosen Zwillingsbruder zur Organentnahme anbietet. Mit dem Geld, das sich der Junge davon verspricht, möchte er dem Vater ein Glasauge kaufen. Und das nicht etwa, weil der nur ein Auge hätte. Sondern weil der Junge der Überzeugung ist, dass sein Vater endlich respektiert würde, wenn er – wie der von allen anerkannte Sahlab-Verkäufer – ein Glasauge hätte. Solange er aber als Schwächling gilt, muss der Vater „den Bewaffneten“ jeden Tag einen neuen Witz erzählen, um nicht zu Tode geprügelt zu werden. 
Die Geschichten, die der in Beirut aufgewachsene und heute in Reykjavik lebende Autor erzählt, sind allesamt schwer zu ertragen. Ihre Protagonisten sind gequälte Kreaturen, die im Ton eines harmlosen Schulaufsatzes von schlimmsten Verletzungen, Erniedrigungen und Verstümmelungen berichten. 

Alle Erzählungen tragen sich in nicht näher definierten, von (Bürger-)Krieg geprägten arabischen Städten zu, immer geht es um Zerstörung, Tod und zerrissene Familien. Die Worte, die Maarouf für den Schrecken findet, changieren zwischen lakonischen Kindersätzen und skurrilen Fantasien. Die reichen von Männern, die Autos in Kekse verwandeln, über Kühe, die zwischen Trümmern spazieren gehen und kaputte Gegenstände fressen, bis hin zu dem „Träger“: einem tieftraurigen Mann, auf dessen dauerhaft gebeugtem Rücken Kindergeburtstage gefeiert werden. 

Ist der Autor, sind die Figuren, von denen er erzählt, traumatisiert? Höchstwahrscheinlich. Und doch lassen die düster-grotesken Erzählungen ab und zu Hoffnung aufscheinen, dass das Leben noch etwas anderes bereithalten könnte als Zerstörung und Verlust.

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