Christian Felber legt sich einmal mehr mit der Mainstream-Ökonomie an: In seinem Buch kritisiert er die zunehmende Mathematisierung der Wirtschaftswissenschaften – leider mit zuweilen zweifelhaften Belegen.
Wirtschaftswissenschaftler brechen komplizierte Zusammenhänge gern auf griffige Formeln herunter. Das ärgert Christian Felber, der Gründungsmitglied von Attac Österreich ist. Seiner Meinung nach versucht man damit, eine naturwissenschaftliche Gesetzmäßigkeit vorzuspiegeln, die der Ökonomie als Sozialwissenschaft nicht angemessen sei. Viele Wirtschaftswissenschaftler rechneten in Modellen und erklärten dann schlicht alle empirisch nachgewiesenen Abweichungen zu Ausnahmen, die das Modell nicht infrage stellten.
Kein Wunder, so Felber, dass von den Neoliberalen keiner die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 vorhergesehen habe. Sie blendeten die Wirtschaftsgeschichte aus und verschwendeten bei ihren Wachstumsmodellen keinen Gedanken an die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen. Raubbau an der Natur gelte als effizienter als nachhaltiges Wirtschaften: „Aber auf einem toten Planeten gibt es keine Arbeitsplätze“. Als Beweis dienen ihm die deutschen Wirtschaftsuniversitäten, in denen „reflexive Fächer“ wie etwa Geschichte des ökonomischen Denkens und Wirtschaftsethik nur 1,3 Prozent der Curricula ausmachten.
Felber belegt seine Thesen mit einer Unzahl von Zitaten, die zeigen, dass seine Kritik so neu oder einzigartig nicht ist. Dennoch zerreißen Experten, die in Wirtschaftswissenschaft sattelfester sind als der Rezensent, sein Buch in der Luft. Sie halten ihm vor, besonders krasse Beispiele herauszugreifen, um sie dann zu demontieren.
Das Buch richtet sich vor allem an Studierende der Wirtschaftswissenschaft, Politologie, Soziologie und Rechtswissenschaft, die ja auch Pflichtveranstaltungen zu Mikro- und Makroökonomie absolvieren müssen „und dabei den schlechtesten Teil des Lehrangebots abbekommen“. Felbers Ansicht nach sind die meistverwendeten Lehrbücher der Mikro- und Makroökonomik haarsträubend fehlerhaft, ideologisch aufgeladen und voller politischer Meinung und Manipulation.
Ebendies werfen ihm allerdings auch seine Kritiker vor: Er wende sich gegen die von vielen Ökonomen vermittelte Illusion, dass es nur eine ökonomische Denkweise gebe, wolle die aber ersetzen durch eine einzige andere Denkweise:
Felbers alternatives Wirtschaftsmodell der Gemeinwohlökonomie.
Das wird inzwischen an einigen Universitäten gelehrt, hat aber einer praktischen Bewährungsprobe in Gestalt einer Bank für Gemeinwohl nicht standgehalten. Umso mehr scheint Felber den öffentlichen Disput zu suchen. Dass er in einem österreichischen Schulbuch für Geografie und Wirtschaftskunde für die Oberstufe auf einer Grafik über Wirtschaftstheorien neben Karl Marx, John Maynard Keynes, Milton Friedman und August von Hayek auftauchte, hat zu erfolgreichen Protesten von Ökonomen geführt. Felbers in einem Werbevideo geäußerte Prognose, das Buch werde „einige Mainstream-Ökonomen in eine Sinnkrise stürzen“, zeugt zwar von viel Selbstbewusstsein, ist bisher aber nicht eingetroffen.
Man kann über die Wissenschaftlichkeit von Felbers Thesen unterschiedlicher Meinung sein. Wenn es aber darum geht, Denk- und Diskussionsanstöße zu liefern, so ist ihm das sicher gelungen.
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