Jan-Philipp Scholz beschreibt in seinem Buch pointiert und verständlich die Probleme der Migration von Afrika nach Europa.
2016 sind mehr als 10.000 Menschen ertrunken, die über das Mittelmeer von Afrika nach Europa gelangen wollten. Seitdem ist Europa gespalten zwischen Anhängern eines humanitären Aktionismus und Verfechtern hermetischer Abschottung. Der Autor, Afrika-Korrespondent der Deutschen Welle in Lagos, betont auf Grundlage seiner zahlreichen vor allem in Westafrika geführten Interviews: 2015/16 war nur die Spitze eines Eisberges. Allein in Afrika seien sechs Millionen Menschen aus politischen und wirtschaftlichen Gründen auf der Flucht; die Verdienste der Schlepper seien inzwischen genauso hoch wie die Beträge der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit der EU-Mitgliedsstaaten mit Afrika.
Zum einen flüchteten viele Afrikaner vor örtlichen Eliten, die im höchsten Maße korrupt seien und nur an ihren eigenen Vorteil dächten. Als Beispiel führt der Autor den Kongo an, dessen wertvolle Bodenschätze die herrschende Klasse an ausländische Personen und Firmen verkauft habe. Ein weiterer Grund sei, dass Europa für viele Afrikaner ein dauerhafter Sehnsuchtsort sei, auch wenn er sich für einige Afrikaner – etwa in Italien oder Griechenland – zu einem Alptraum entwickelt hat. Ein dritter Grund sind die üblen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den meisten afrikanischen Staaten, die kaum Aussicht auf eine Verbesserung der persönlichen Lebensumstände bieten.
Scholz beobachtet einen Handel mit Menschen aus Afrika (vor allem in Libyen), der inzwischen zum Milliardengeschäft geworden ist und von dem auch Afrikas Eliten profitieren. Einige Europäische Staaten wie Belgien oder Portugal, die Afrika mit dem kolonialen Erbe weitgehend alleingelassen haben, zeigten sich an dessen heutiger Situation wenig interessiert. Entwicklungszusammenarbeit, kritisiert Scholl, sei zu stark an nationalen Interessen orientiert, beispielsweise denen Frankreichs in der Maghreb-Region, und die EU-Entwicklungszusammenarbeit sei insgesamt zu schwach. Probleme wie die weitere Ausbreitung der Wüsten oder eine Verschärfung der wirtschaftlichen Lage in Afrika seien den meisten Europäern kaum bewusst, obwohl sie durch UN-Einrichtungen bestens dokumentiert sind, zum Beispiel durch das UN-Klimaschutzsekretariat in Bonn.
Das Buch ist spannend geschrieben, gut lesbar und für eine breite Leserschaft geeignet. Die Erkenntnisse von Scholz sind nicht neu, aber sie finden in der öffentlichen Diskussion zu wenig Beachtung. Die Beispiele sind gut recherchiert. Nach Scholz bedarf es zentraler, europäischer Institutionen, um das europäische Problem der Migration zu lösen.
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