Feindbild Großkonzerne

Verbraucherschützer Thilo Bode setzt sich mit den Verflechtungen zwischen Politik und Industrie auseinander und ruft zum zivilen Widerstand gegen die Diktatur der Konzerne auf. Sein Ton ist polemisch, doch seine Beweisführung hat Hand und Fuß.   

Thilo Bode war schon immer ein Freund deutlicher Worte – ob als Geschäftsführer von Greenpeace oder der 2002 von ihm gegründeten Verbraucherrechtsorganisation Foodwatch. Mit 71 Jahren ist er nicht leiser geworden, im Gegenteil. In seinem jüngsten Buch nimmt er sich die Konzerne vor – genauer, den „industriell-politischen Komplex“: die Verflechtungen der Interessen von Politikern und globalen Unternehmern, die die Ungleichheit in der Gesellschaft fördern und die Demokratie schleichend aushöhlen, wie er betont.

Es sei eine „Tragödie für die Menschheit“, dass die Konzerne ihr technologisches Potenzial nicht „zum Wohl der Allgemeinheit, sondern zu ihrem Schaden einsetzen“, erklärt Bode im Vorwort. Deshalb schlägt er Alarm: Oft polemisch, aber immer sorgfältig recherchiert anhand zahlreicher Beispiele und mit vielen Quellenangaben. In drei Kapiteln führt Bode aus, wie und in welchem Ausmaß Energie- und Autounternehmen, Banken, die Nahrungsmittelindustrie sowie Facebook, Google, Amazon und Apple politisch Einfluss nehmen, die Umwelt zerstören und gegen Menschenrechte verstoßen, ohne dafür haftbar gemacht zu werden.

Die Beispiele sind nicht neu: Der Dieselskandal wird ebenso thematisiert wie die Versuche von Lebensmittelkonzernen, Junkfood und überzuckerte Getränke in ärmeren Ländern als Zeichen eines modernen und aktiven Lebensstils anzupreisen – und die damit eine „Diabetesepidemie“ befördern. Oder der vorgebliche Kampf gegen Mangelernährung in Afrika, der Nestlé und Co. dazu dient, Menschen an  angereicherte Nahrungsmittel zu gewöhnen und gesündere einheimische Speisen und Essgewohnheiten zu verdrängen.

Für alle, die es genauer wissen wollen, lohnt sich die Lektüre: Denn Bode behauptet nicht nur, dass Konzerne Journalisten, Wissenschaftler und Parlamentarier „kaufen“, um ihre Interessen durchzusetzen. Er belegt es unter anderem mittels Studien, geleakten Papieren und Korrespondenzen. Akribisch beschreibt er das Lobbying der Konzerne, etwa die vielen Einzelgespräche, die Vertreter von Energieunternehmen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel führten, sowie die Einflussnahme auf die Forschung mit Hilfe großer Geldspenden von Multimilliardären wie Hasso Plattner (SAP) und Dieter Schwarz (Kaufland, Lidl) an staatliche Universitäten.

Juristisch ist den Konzernen kaum beizukommen, denn die geschilderten Aktivitäten sind „weitgehend legal“, schreibt Bode. Weder mit nationalen Gesetzen noch mit unverbindlichen internationalen Abkommen könnten globale Unternehmen wirksam zur Rechenschaft gezogen werden. Der Staat müsse seine Regulierungshoheit zurückbekommen.

Zum versöhnlichen Abschluss listet Bode Beispiele gesellschaftlichen Widerstands auf wie die geplante Volksabstimmungsinitiative in der Schweiz, die die Macht der Konzerne einschränken soll. In Deutschland ist einige Monate nach Erscheinen des Buches tatsächlich eine gesetzliche Neuerung in Kraft: Seit 1. November 2018 gibt es die Musterfeststellungsklage, mit der Vereine und Verbände im Namen von Verbrauchern gegen Unternehmen vor Gericht ziehen können. Die erste gegen den Volkswagen-Konzern ist schon auf den Weg gebracht.
 

 

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