Die Journalistin Kathrin Hartmann klagt in ihrem Buch die Konzerne des globalen Nordens an, die Ressourcen des Südens plündern und dabei ihre Produkte als umweltverträglich und sozial präsentieren. Nachhaltige Alternativen bleiben aber im Unklaren.
Der Schweizer Konzern Nestlé verkauft mit seinen Nespresso-Kapseln ein für die Autorin überflüssiges, überteuertes und Ressourcen verschwendendes Kaffeesystem. Allein die leeren Alu-Kapseln ergäben Jahr für Jahr einen mindestens 8000 Tonnen schweren, absolut unnötigen Müllberg. Dazu kommt, dass der Konzern Kaffeebauern in Südsudan lediglich zwei US-Dollar pro Kilo Exportkaffee zahlt und damit weniger als den Weltmarktpreis der vergangenen drei Jahre, von dem eine Familie auch schon kaum leben kann. Dennoch schafft Nestlé es, seine Kapseln in der Werbung „als Wohltat für Mensch, Natur und Klima“ zu präsentieren. Davon zeugt nicht zuletzt George Clooney, der als Aushängeschild des grün-liberalen Milieus – umringt von Bauern – in Costa Rica ein Kaffeebäumchen pflanzt und über das Nachhaltigkeitsprogramm von Nespresso schwadroniert. Für seine Werbeauftritte soll er, wie Kathrin Hartmann schreibt, von Nestlé 26 Millionen Dollar erhalten haben.
Weitere Meister des Greenwashings erkennt sie in der Erdölfirma BP, die die sozial und ökologisch verheerenden Folgen der Explosion der Ölbohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko am 20. April 2010 schönredete, und in der Palmölindustrie. Die holze für angeblich „nachhaltiges“, unschlagbar billiges Palmöl in Indonesien weiterhin illegal Regenwald ab, forciere den Landraub und versklave Anwohner als spottbillige Arbeitskräfte. Dortige Erntearbeiter erzählten Hartmann, dass sie umgerechnet etwa 100 Euro im Monat verdienten. Aber nur, falls sie das jeweilige Tagesziel erreichten, das ihnen die Plantage setze. In Indonesien gelangten, wie Hartmann schreibt, allein im Herbst 2015 bei den Brandrodungen und Waldbränden, um Platz für neue Plantagen zu schaffen, 1,7 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre – doppelt so viel wie Deutschland pro Jahr ausstößt.
Es verwundert deshalb nicht, dass Hartmann den so genannten „ethischen Konsum“ als Lüge bezeichnet. Konzerne schöben mit diesem PR-Kniff die Verantwortung für die „Weltrettung“ den Konsumenten zu und suggerierten, jeder könne sich sein privates, gutes Gewissen erkaufen. Diese Form der Individualisierung von Verantwortung aber verhindere Solidarität der Verbraucher untereinander und vor allem mit den Produzenten der Waren. Die Verbraucher ihrerseits hörten nur allzu gerne die Botschaft, dass alles so weiterlaufen könne wie bisher, und dass ihr überbordender Lebensstil die Welt sogar besser mache.
Hartmanns Buch überzeugt durch ihre mit viel Herzblut und Klarsicht verfasste Analyse und die Fülle an Beispielen. Ihr Schlusskapitel fällt jedoch leicht ab. Hier widmet sie sich den Ansätzen für eine „positive Globalisierung“ jenseits von Wachstum, Kapitalanhäufung und Ausbeutung. Dabei helfen aus ihrer Sicht nur Gegenbewegungen und Proteste von den Rändern der Gesellschaft und aus den Ländern des Südens – etwa Ansätze einer „Solidarischen Landwirtschaft“, Gewerkschaftsarbeit, Kampf gegen Freihandel oder Bürgerinitiativen gegen die Privatisierung von Wasser oder für eine autofreie Innenstadt. Über eine Aufzählung kommt sie allerdings nicht hinaus. Wie eine Alternative zum Nachhaltigkeits-Kapitalismus aussehen könnte, scheint auch der Autorin nicht klar zu sein.
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