Der guatemaltekische Autor Arnoldo Gálvez Suárez führt seine Leser in sein Heimatland im Jahr 1989. Sein historischer Krimi erinnert eindringlich an die offene politische Gewalt der damaligen Zeit und wirft Fragen nach Gerechtigkeit und Wiedergutmachung auf.
Im Guatemala Ende der 1980er Jahre werden Studentenführer und Professoren zwar nicht mehr systematisch ermordet, wie in den Jahren der verdeckten und offenen Militärherrschaft von 1978 bis 1985, aber politisch motivierte Gewalt ist noch an der Tagesordnung. Der Mord an einem marxistischen Universitätsdozenten ist Gegenstand des Romans.Erzähler und Protagonist ist Alberto, der ältere Sohn des Professors.
Auch 20 Jahre nach der Bluttat bereitet ihm die Erinnerung an den blutüberströmten, sterbenden Vater noch Alpträume. Durch einen Zufall trifft er Mercedes Lima wieder, eine ehemalige Geliebte des Vaters, die einst kurze Zeit bei der Familie gelebt und eine Ehekrise ausgelöst hatte. Alberto, der inzwischen ein relativ ereignisloses bürgerliches Dasein als Fotograf führt, spürt, dass Mercedes Lima ein Geheimnis hütet, das mit dem Tod des Vaters zusammenhängt. Ohne es zu wollen, erliegt er aber wie damals sein Vater der sinnlichen Ausstrahlung der Frau. Albertos Versuche, ihr Geheimnis zu lüften, münden nicht nur in erotische Abenteuer, sie bringen ihn auch an den Rand des Todes.
Arnoldo Gálvez führt seine Leser meisterlich durch die unaufgearbeitete Vergangenheit Guatemalas, deren Täter erst zögernd zur Verantwortung gezogen werden. Auch die Gegenwart mit ihrer nur scheinbar unpolitischen Gewalt, der Versuchung Albertos, in die USA auszuwandern, und dem Scheitern dieser Flucht spart Arnoldo Gálvez nicht aus. Der 1982 geborene Autor zeichnet ein packendes, realitätsnahes Bild von marxistischen Lehrenden und rebellischen Studenten Ende der 1980er Jahre, von heruntergekommenen Hörsälen und der Bedrohung durch Polizei und Armee, die Regimegegner regelrecht hinrichteten oder verschwinden ließen. Und er beschreibt das heutige Guatemala, das schon lange von zivilen Präsidenten regiert wird und wo die Guerilla nach einem Friedensabkommen in unbedeutende politische Splittergruppen zerfallen ist, als eine noch immer von Standesdünkel und Rassismus durchdrungene Gesellschaft – ein Land, in dem der Hass einer militaristischen Rechten auf alles, was nach Links riecht, noch immer die Politik bestimmt.
Gálvez‘ Roman lässt sich weder der Kategorie Krimi noch dem historischen Roman eindeutig zuordnen. Dass er in Guatemala sehr wohlwollend aufgenommen wurde, überrascht den Autor, wie er in einem Interview erklärt hat: Die Gesellschaft stehe noch nicht zu ihrer Vergangenheit. Er hoffe aber, mit seiner Fiktion „ein Stück Geschichte zu erklären“. Das ist ihm gelungen.
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