Schmutzige Deals statt Partnerschaft

Das Buch prangert die Zusammenarbeit von EU und Bundesregierung mit afrikanischen Diktaturen an, die dazu dient, Migration zu unterbinden. Allerdings sind die Autoren in ihren Vorwürfen und Forderungen eher abstrakt als konkret.

Die EU-Staaten investieren Milliardenbeträge, um die Grenzen Äthiopiens, Nigers oder Libyens zu sichern und die dortigen Sicherheitskräfte so auszubilden, dass möglichst wenige Afrikaner die Grenzen Richtung Europa passieren. Unter anderem am Beispiel Sudan zeigen die Journalisten Christian Jakob und Simone Schlindwein, dass die Truppen eines mutmaßlichen Kriegsverbrechers – des Generalmajors Mohammed Hamdan, der die Rebellen im Darfur vernichtete – besser ausgerüstet sind als die staatliche Armee. Der Grund: Sie überwachen die Landesgrenzen und gehen gegen Migranten vor. Im Rahmen des so genannten Khartum-Prozesses zum Migrationsmanagement werden sie deshalb von EU-Trainern ausgebildet. 

Jakob und Schlindwein kritisieren, dass für derlei Projekte Entwicklungsgelder umgewidmet oder an Migrationskontrolle und Rückführungsabkommen geknüpft werden. Auch in Eritrea sei es dem Diktator Isayas Afewerki gelungen, durch Zusammenarbeit mit der EU in der Migrationspolitik die bisherige Isolation seines Landes zu durchbrechen. So hat Brüssel bis 2020 rund 200 Millionen Euro aus dem europäischen Entwicklungsfonds zugesagt, um „die Lebenssituation vor Ort zu verbessern“ und „den Exodus der Jugend zu stoppen“, wie Bundesentwicklungsminister Gerd Müller bei einem Besuch in Asmara Ende 2015 erklärte. Gezielt würden so in Europa Ängste vor dem „afrikanischen Chaos“ geschürt, schreiben die Autoren. Auch  Müller habe noch im Juni 2017 von „100 Millionen Afrikanern“ gesprochen, die nach Europa kämen.

In Afrika selbst bedeute Migration vor allem innerafrikanische Migration über die jungen, von Europa geschaffenen Grenzen hinweg. Sie werde etwa von Nigeria und vielen afrikanischen Regierungen in Subsahara-Afrika gefördert oder zumindest toleriert. Afrikanische Staaten schlössen sich zu Wirtschaftsgemeinschaften zusammen, schafften Zölle und Visa ab und erteilten Arbeitserlaubnisse, damit ein freier Verkehr von Arbeitskräften, Waren und Dienstleistungen stattfinden könne. Anders als in der Festung Europa, wo Afrikaner eher unerwünscht seien, werde in Afrika der Zuzug von Fremden als Chance begriffen. Hier sehen die Autoren einen fundamentalen Unterschied zwischen der Migrationspolitik der EU einerseits und der afrikanischer Staaten andererseits. Auf afrikanische Konflikte um Migration etwa in Südafrika oder Simbabwe gehen sie nicht ein.

Statt eine rationale Afrikapolitik zu verfolgen und auf die Ausbildung krimineller Milizen oder die Hochrüstung innerafrikanischer Grenzen zu verzichten, schaffe die EU neue Probleme. Sie trage zur Radikalisierung der afrikanischen Jugend bei, indem sie Entwicklungsgelder der Armutsbekämpfung entziehe und für Migrationsabwehr umwidme. Zugleich zwinge sie afrikanische Staaten, ihre Märkte für billige europäische Agrarprodukte oder subventionierte Lebensmittel zu öffnen. Damit würden Arbeitsplätze vernichtet. Die EU strebe eine Sicherung ihrer Grenzen und Öffnung der afrikanischen Märkte an, Afrika jedoch träume von geschützten Märkten und offenen Grenzen. So könne keine Partnerschaft entstehen.

Die Lektüre lohnt sich, denn die fünf Kapitel liefern informative Rück- und Ausblicke. Leider formulieren die Autoren aber nicht, wie genau eine neue Partnerschaft mit den afrikanischen Nachbarn entstehen könnte.

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