Europa ist kein Allheilmittel

Die Autoren von Attac Österreich wollen mit ihrem Sammelband eine Debatte über die Europäische Union anstoßen. Sie rufen dazu auf,  diese nicht um jeden Preis zu verteidigen.

Im Juni 2016 stimmte eine knappe Mehrheit der Briten dafür, dass ihr Land aus der EU austritt. Erstmals verlässt ein Land die europäische Staatengemeinschaft. Das verdeutliche, dass die EU in der „tiefsten Krise seit ihrem Bestehen“ stecke, schreiben die Herausgeber in der Einleitung. Für viele Bürger stehe die europäische Integration schon lange nicht mehr für Frieden und Wohlstand, sondern für den Abbau des Sozialstaates und Absprachen im Hinterzimmer. Linke Parteien und Bewegungen sollten angesichts des verbreiteten Unbehagens die EU nicht bedingungslos verteidigen, sondern eine eigene Position entwickeln. Mit dem Sammelband will Attac Österreich die dafür notwendige „offene und breite Debatte“ anstoßen.

Im ersten Kapitel analysieren die Autoren einzelne Politikfelder der EU. So argumentiert Elisabeth Klatzer, dass die Konkurrenz zwischen den Mitgliedsstaaten tief in das Gerüst der EU eingeschrieben sei. Mit der Einführung des Euro könnten die einzelnen Staaten nicht mehr ihre Währung abwerten, um ihre Produkte zu verkaufen. Stattdessen senkten Unternehmen und Politiker Löhne und Sozialleistungen, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Carla Weinzierl beschreibt die gemeinsame europäische Agrarpolitik, die von Beginn an die industrielle Landwirtschaft gefördert und so zu einer „systematischen Überproduktionskrise“ geführt habe. Das gehe auch auf Kosten des globalen Südens, weil Exporte aus der EU den Aufbau lokaler Märkte verhinderten. Andere Autoren analysieren die Handels-, Militär- und Flüchtlingspolitik der EU.
Im zweiten Kapitel wagen die Autoren eine Bestandsaufnahme, in der die verschiedenen Politikfelder zusammenfließen. Beispielsweise kritisieren sie die Idee, dass die Globalisierung nur mit der EU besser gestaltet werden könne. Dabei sei der Staatenverbund selbst einer der „wichtigsten Motoren“ des Neoliberalismus. Auch die Hoffnung, dass die EU den Nationalismus überwinde, sei irreführend. Im Gegenteil habe die große wirtschaftliche Konkurrenz zwischen den Mitgliedsstaaten nicht nur zu sinkenden Löhnen geführt, sondern auch nationalistisches Gedankengut befeuert.

Das letzte Kapitel diskutiert die Erfahrungen sozialer Bewegungen. Im Interview berichten die Aktivisten Manuela Zechner und Bue Rübner Hansen von der Entwicklung des Munizipalismus in Barcelona. Dabei bildete man lokale Stadtteilgruppen, mit denen sich die Menschen  gegen Zwangsräumungen wehren und sich im Alltag helfen. Zentral sei  die Idee, „Politik auf Basis von Nähe zu machen“ und eine „demokratische Politik jenseits des Nationalstaats“.

Wer sich am Ende eine klare Position für oder gegen die EU erhofft, wird enttäuscht. Die Autoren argumentieren, dass ein Austritt lediglich für manche Länder sinnvoll sei. So würde ein Austritt von Deutschland und Österreich dort vor allem rechte Parteien stärken. In Griechenland und Portugal seien hingegen vor allem linke Parteien und zivilgesellschaftliche Gruppen stark – diese würden bei einem Austritt größere Spielräume bekommen, um ihr politisches Projekt umzusetzen. Den Autoren geht sowohl um die Zusammensetzung der Regierung als auch um die dominanten politischen Gruppen und Bewegungen – etwa die Platzbesetzungsbewegung in Griechenland und Spanien.

Das Buch bildet die in linken Parteien und Bewegungen geführte Debatte um die Haltung zur EU ab. Es ist vor allem Aktivisten zu empfehlen, die sich auf den neuesten Stand bringen oder an der Debatte teilnehmen wollen. Für eine wissenschaftlich fundierte Analyse hingegen  sind die einzelnen Beiträge zu kurz und teilweise auch zu oberflächlich.

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