Hannes Bahrmann schildert Aufstieg und Machterhalt des Familienclans Ortega-Murillo in Nicaragua und vergleicht dessen Herrschaft mit der einstigen Somoza-Diktatur. Der Vergleich hinkt, ist aber nicht völlig aus der Luft gegriffen, wie das Buch belegt.
Im Januar 2017 wurde Daniel Ortega zum vierten Mal als Präsident Nicaraguas vereidigt, seine Frau Rosario Murillo wurde Vizepräsidentin. Erstmals stand der ehemalige Kämpfer gegen die Somoza-Diktatur in den 1980er Jahren an der Staatsspitze. Der Berliner Journalist Hannes Bahrmann gibt in seinem Buch einen gut lesbaren historischen Abriss vom Ende der Somoza-Diktatur bis heute.
Ebenso interessant ist seine Analyse der aktuellen Lage, sein vernichtendes Portrait des offiziellen Sandinismus, dem es um Bereicherung und Machterhalt geht. Auch wenn der des Öfteren bemühte Vergleich zwischen der blutigen Somoza-Diktatur und dem autoritären Ortega-Regime befremdet, schildert Bahrmann eindrücklich, wie Daniel Ortega die Macht seines Clans erlangt und gefestigt hat.
So ließ er 2011 durch das Oberste Gericht die Verfassung ändern, damit er so oft er will wiedergewählt werden kann. Gleich nach der Amtseinführung unterzeichnete er die Beitrittserklärung zum von Venezuela initiierten ALBA-Bündnis (Bolivarianische Allianz für unser Amerika), womit er sich jährlich mehrere Hundert Millionen Dollar an Unterstützung durch Chávez sicherte. Die flossen nicht etwa in die Staatskasse, sondern wurden von einem undurchsichtigen Firmengeflecht verwaltet, das allein das Präsidentenpaar kontrollierte.
Gleich nach der Amtsübernahme verschaffte sich Ortega Kontrolle über die veröffentlichte Meinung, indem er die Medien gängelte: Die Tageszeitung „La Prensa“ etwa ließ er 2007 wegen angeblicher Steuerschulden anklagen. Mit venezolanischen Petro-Dollars erwarb sein Clan überdies ab 2012 eigene Zeitungen, Radio- und Fernsehsender, deren Leitung er seinen Söhnen und Töchtern übertrug. Auch vor Wahlfälschungen schreckten die Ortega-Murillo nicht zurück. So untersteht der Zentrale Wahlrat direkt dem Präsidenten und wird von Roberto Rivas Reyes geleitet, der eng mit Ortega befreundet ist.
Gleichzeitig finanziert das Tandem Ortega-Murillo soziale Wohltaten und wendet große Summen auf, um die Menschen von seiner paternalistischen Politik abhängig zu machen: Tausende arme Menschen erhielten neue Häuser, zinslose Mikrokredite, Zuchtvieh oder auch subventionierte Lebensmittel in eigens dafür eröffneten Läden. Über das Privatvermögen des Clans kann allerdings auch der Autor keine seriösen Angaben machen – nur so viel, dass er weit mehr besitze, als er regelmäßig vor Wahlen angebe.
Anstelle des selbst in Not geratenen Gönners Venezuela hofiert Daniel Ortega mittlerweile chinesische Investoren. Sie sollen vor allem die Milliarden für das ökologisch und wirtschaftlich höchst fragwürdige Projekt eines Nicaragua-Kanals zwischen Pazifik und Atlantik locker machen. Dabei gehe es überhaupt nicht um eine Wasserstraße, schreibt Bahrmann. Der chinesische Investor habe sein Vermögen längst an der Börse verloren. Vielmehr gehe es um Landraub: Menschen und Grundbesitzer entlang der angeblichen Kanalroute sollten vertrieben oder enteignet werden, um Spekulanten zu bedienen, die in immense Tourismusprojekte investieren wollen. Die Preise für Grundstücke seien in den letzten Jahren explodiert, die Tourismusbranche erfreue sich großer Wachstumszahlen. „Die Korruption hinter diesem Vorhaben ist absolut unglaublich. Es handelt sich schlicht um ein Projekt mit dem Ziel, Land und Immobilienbesitz zu enteignen“, zitiert der Autor den Geografen Jean-Paul Rodrigue von der US-Universität Hofstra. Alles in allem schildert Bahrmann beispielreich und eindrücklich die Strategien des Ortega-Clans zum Machterhalt – und präsentiert damit ein Paradebeispiel dafür, wie Macht korrumpiert und die Mächtigen alte Ideale verraten.
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