Kinderarbeit, obwohl von den Vereinten Nationen geächtet, ist in vielen Ländern verbreitet. Der Kinderarbeitsexperte Benjamin Pütter schildert in eingängiger Sprache sowohl Einzelschicksale als auch komplexe Fachdebatten – und macht sich für die Abschaffung von Kinderarbeit stark.
Kinderarbeit liegt vor, wenn unter 15-Jährige nicht zur Schule gehen dürfen, weil sie arbeiten müssen, macht Benjamin Pütter klar. „Wenn diese Arbeit dann auch noch gesundheitsschädigend und ausbeuterisch ist, sind Interventionen von außen zum Schutz der Heranwachsenden dringend angezeigt.“ Dazu zählt der Autor konkrete Befreiungsaktionen, Rehabilitationsmaßnahmen sowie Bildungsangebote. Er selbst war als Kinderarbeitsexperte und Berater beim Kindermissionswerk Die Sternsinger etliche Male bei Befreiungsaktionen von Jungen und Mädchen dabei, die in Indien zur Arbeit versklavt wurden. In seinem sehr persönlichen Buch schildert er eigene Erlebnisse und bettet sie auch in den kritischen Fachdiskurs ein. Nach manch trauriger Fallgeschichte ist es geradezu erleichternd, sich erst einmal wieder den komplexen Fachdebatten widmen zu können.
Dabei räumt der Autor auch mit verschiedenen Mythen auf – etwa, dass nur kleine Hände die kleinen Knoten der Teppiche knüpfen könnten und deshalb Kinder arbeiten müssten oder dass es keine Kinderarbeit in der Steinbruchindustrie geben könnte, weil Kinder gar nicht in der Lage seien, die Presslufthämmer halten zu können.
Erfahrungsorientiert, wie Benjamin Pütter vorgeht, weist er im Kapitel „Die Taktik der Industrie: Leugnen, vertuschen, nicht lösen“ darauf hin, dass Kinderarbeit, -sklaverei und Schuldknechtschaft insbesondere in der deutschen Steinbruchindustrie nach wie vor zu häufig geleugnet werden. So geht es unter anderem darum, dass Steinmetzinnungen im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen ein Gesetz gegen Kinderarbeit stoppten. Sie behaupteten, das Problem Kinderarbeit in der Exportsteinindustrie gäbe es nicht mehr. Erst nachdem Benjamin Pütter mit einem Journalisten der Süddeutschen Zeitung und einem Pressefotografen der New York Times unangekündigt in sieben von acht inspizierten Exportsteinbrüchen auf verbotene Kinderarbeit stieß, kam das Thema wieder auf die Tagesordnung.
Pütter engagiert sich vor allem dafür, dass Kinder sicher aufwachsen und Zugang zu schulischer Bildung als Schlüssel und Motor gesellschaftlicher Veränderung bekommen. Dabei gibt er sehr konkrete Anregungen, was wir im globalen Norden tun können, um zu menschenwürdigen Entwicklungen beizutragen. So spricht er sich beispielsweise im Sinne der ILO-Konvention 182 vehement gegen seiner Meinung nach sozialillusionäre Forderungen eines Rechts auf Kinderarbeit im lateinamerikanischen Kontext aus. Bei der Kaufentscheidung für ein Produkt wiederum dringt er darauf, grundsätzlich eine sozial-ethische Brille aufzusetzen und vor Ort nach Kinderarbeit in der Produktionskette zu fragen.
Pütter betont immer wieder, dass viele Verbesserungen möglich sind, wenn es Menschen gibt, die nicht locker lassen. In einer Anekdote beschreibt er, wie er selbst an einem Bahn-übergang in Indien zufällig einen hochrangigen Politiker getroffen und sofort mit ihm darüber gesprochen habe, wie sich die Lage der Kinder ändern müsse. Denn: „Der beste Zeitpunkt anzufangen ist jetzt.“ Gregor Lang-Wojtasik.
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