Bloß keine Panzer mehr liefern

Sebastian Sons porträtiert Saudi-Arabien als problematischen Verbündeten des Westens. Der Islamwissenschaftler zeigt, wie Königshaus und Fundamentalismus dem gesellschaftlichen Wandel entgegenstehen, ihn aber dennoch nicht ganz verhindern können.

Der Autor, der als Saudi-Arabien-Experte für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik arbeitet, beschreibt das Land in all seinen Widersprüchen: Alkoholbesitz steht unter Todesstrafe, Regimekritiker werden enthauptet oder ausgepeitscht, Andersgläubige verfolgt. Gleichzeitig erhebt das Königreich den Anspruch, die arabische Welt zu führen und für Stabilität im Nahen Osten zu sorgen. Die Intervention im benachbarten Jemen begründete Saudi-Arabien damit, dass der Iran sonst seinen Einfluss unzulässig erweitere. Als generöser Abnehmer von Kriegsgerät aller Art wird der hochgerüstete Wüstenstaat im Westen dennoch geschätzt.

Spätestens seit 9/11 versuche sich das Königshaus als Sicherheitspolizist gegen den islamistischen Terror zu präsentieren, erklärt der Autor. Gleichzeitig berufen sich aber zahlreiche Dschihadisten auf die Lehren des Wahhabismus und damit auf ein Fundament des saudischen Staates. Weil die wahhabitischen Geistlichen zum Teil unverblümt zum Dschihad gegen den Westen aufrufen, erhält das Terror-Kalifat gerade aus Saudi Arabien eifrigen Zulauf.

Sons schildert das Dilemma der Königsdynastie, die einen dekadent-westlichen Lebensstil pflegt, aber auch die Wahhabiten nicht vergrämen möchte. Der Aufstand extrem konservativer Kleriker, die sich 1979 in einer Moschee in Mekka verschanzten und der nur mit ausländischer Hilfe niedergeschlagen werden konnte, wirkt, wie er beschreibt, nachhaltig nach. So würden die Fundamentalisten noch immer mit viel Geld vom Königshaus ruhiggestellt, das sie verwendeten, um weltweit mit Hilfe von Moscheen und Koranschulen zu missionieren.

Der gesellschaftliche Wandel im Land lasse sich dennoch nicht aufhalten; das wahre Leben finde hinter verschlossenen Türen statt. Dort werde nicht nur Alkohol getrunken, sondern auch geflirtet. Gerade die Frauen, die die Männer an Bildung inzwischen überträfen, ließen sich nicht mehr an den Rand drängen. Sie nutzten die herrschenden Verbote zu ihrem Vorteil: in Räumen, zu denen Männer keinen Zutritt haben. „Wir können uns unabhängiger und freier entwickeln, uns besser vernetzen und am Ende beruflich tätig sein“, wird eine Studentin zitiert. Selbst das Verbot, ein Auto zu lenken, werde zumindest von den Frauen der aufstrebenden Mittelschicht, die sich einen Chauffeur leisten können, nicht immer als Nachteil gesehen. Wenn sie im Stau stehen, werde das Auto zum „fahrenden Büro“. 

Viele junge Männer und Frauen, die im Ausland studiert haben, finden keine Arbeit, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 40 Prozent. Der öffentliche Dienst könne die nachdrängenden Akademiker nicht mehr aufnehmen – und der Privatsektor sei nach wie vor unterentwickelt. Zudem könnten sich kleine und mittlere Betriebe meist die vorgeschriebenen getrennten Büroräume für Männer und Frauen nicht leisten, so dass Frauen dort kaum Beschäftigung fänden. Schließlich sind saudische Arbeitskräfte den Unternehmen oft zu anspruchsvoll: Viele Posten werden deshalb mit Immigranten vor allem aus Asien besetzt, die schlecht bezahlt und meist auch schlecht behandelt werden. 

Sons schließt seine äußerst kenntnisreiche Analyse dieses Landes mit einer Reihe von Empfehlungen an die deutsche Politik ab. Allen voran: politische und kulturelle Zusammenarbeit pflegen, um Reformen einzufordern, auf eine Verbesserung der Beziehungen zum Iran drängen – aber keine Panzer mehr liefern.

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