Schuldbewusste Aussteiger

Der Einsatz von Drohnen im Anti-Terror-Kampf ist umstritten. Die deutsche Regisseurin Sonia Kennebeck porträtiert in ihrem Dokumentarfilm drei daran beteiligte Soldaten aus der US-Luftwaffe und lässt Opfer von Drohnenangriffen in Afghanistan zu Wort kommen.

Unter Präsident Barack Obama hat das US-Militär den Einsatz von Kampfdrohnen gegen mutmaßliche Terroristen in Afghanistan, Pakistan, Jemen und anderen Ländern erheblich ausgeweitet. Unbemannte bewaffnete Fluggeräte haben den Vorteil, dass sie keine eigenen Soldaten in Gefahr bringen. Und die Öffentlichkeit nimmt das weitgehend geheime Programm meist nur wahr, wenn bei den Luftschlägen Zivilisten getötet werden – die berüchtigten „Kollateralschäden“.

Wie fragwürdig diese vermeintlich elegante Art der Kriegsführung ethisch gesehen ist, zeigt die in New York lebende deutsche Autorin und Regisseurin Sonia Kennebeck in ihrem ersten langen Dokumentarfilm. Im Mittelpunkt stehen drei Analystinnen und Analysten der Air Force, die in unterschiedlichen Funktionen an der Zielauswahl mitwirkten. Sie haben den Dienst quittiert und berichten über ihre Erlebnisse, Traumata und Schuldgefühle.

Heather, Lisa und Daniel leiden unter der Erkenntnis, dass sie den Tod unschuldiger Menschen verursacht oder dazu Beihilfe geleistet haben. Sie hatten sich ursprünglich freiwillig zum Militär gemeldet. Doch die Arbeit im Drohnenprogramm haben sie auf Dauer nicht ausgehalten. Die Aussteiger, die teils noch immer unter posttraumatischem Stress leiden, berichten von Kollegen, die sich das Leben genommen haben, weil ihr Schmerz so groß war. Sie bekunden, dass sie sich ausgenutzt fühlen. Ihr Glaube an die gerechte Sache, an einen sinnvollen Einsatz für das Vaterland ist erschüttert.

Allerdings dürfen die Informanten nicht zu viel verraten, um sich nicht wegen Geheimnisverrats angreifbar zu machen. Auch nach der Entlassung dürfen sie keine Interna ausplaudern, ja nicht einmal mit Therapeuten sprechen.

Kennebeck, die bis dahin vor allem als investigative TV-Journalistin gearbeitet hatte, musste im Zuge ihrer dreijährigen Recherchen viel Überzeugungsarbeit leisten, um das Vertrauen der Whistleblower zu gewinnen. Eine wichtige Figur ist die Datenanalystin Heather Linebaugh, die 2013 das Drohnenprogramm öffentlich kritisierte. Ihre Rechtsanwältin Jesselyn Radack hatte zuvor unter anderem Edward Snowden vertreten.

In den Berichten wird der Trend zur „Gamification“ im US-Militär sichtbar: Demnach sitzen meist junge Männer vor Monitoren mit Programmen, die Videospielen ähneln. Anreizsysteme senken bei erfolgreicher Zielbekämpfung die moralische Hemmschwelle. Das könne  moralisch weniger gefestigte Soldaten „trigger-happy“ machen, sagt Heather Linebaugh.

Auch die Regisseurin  hat die Dienste Radacks und eines weiteren Anwalts genutzt, um ihre Protagonisten so gut wie möglich gegen Druck von außen abzusichern. Aus Sicherheitsgründen verschlüsselte das Team während der Recherche und des Drehs seine gesamte Kommunikation. „Wir rechneten damit, dass alles, was elektronisch verschickt wird, gelesen wird“, sagt Kennebeck.

Im Schlussteil erweitert Kennebeck die Täterperspektive um die Opferperspektive, indem sie die Veteranin Lisa zu einem Tatort nach Afghanistan begleitet. Dort kommt Lisa, die inzwischen für eine Hilfsorganisation arbeitet, mit Überlebenden eines Drohnenangriffs auf einen Autokonvoi zusammen, bei dem im Februar 2010 in der Bergregion Uruzgan 23 Zivilisten getötet wurden. „Die Angehörigen sind zu uns gereist, weil es für uns zu gefährlich gewesen wäre, zu ihnen zu fahren“, berichtet Kennebeck. Vor der Kamera zeigten sie sich angetan davon, dass überhaupt jemand nach ihrer Geschichte fragt. In den fünf Jahren seit dem Bombardement sei niemand deswegen zu ihnen gekommen: „Die Angehörigen der Opfer lassen gleichwohl ihre Bereitschaft zur Versöhnung erkennen.“

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