Der Dokumentarfilm des Schriftstellers Jonathan Littell zeigt vier ehemalige Soldaten der ugandischen Rebellenmiliz LRA beim Versuch der Resozialisierung.
Berühmt wurde der franko-amerikanische Autor Jonathan Littell mit seinem mehrfach ausgezeichneten Roman „Die Wohlgesinnten“, der Gewalt aus der Perspektive eines deutschen Nazis beschreibt. Nun hat Littell, der für die NGO „Aktion gegen den Hunger“ jahrelang an humanitären Einsätzen in Südosteuropa, Asien und Afrika mitgewirkt hat, mit „Wrong Elements“ seinen ersten langen Dokumentarfilm als Regisseur vorgelegt.
Darin geht es um vier ehemalige Kämpfer der ugandischen Lord‘s Resistance Army (LRA). Diese wurde 1989 von Joseph Kony gegründet, um gegen das Regime von Yoweri Musevini zu kämpfen. Perfiderweise entführte Kony Jugendliche, um sie in seine Rebellenmiliz zu zwingen. In 25 Jahren ließ er mehr als 60.000 Jungen und Mädchen verschleppen, die als Killer oder Sexsklavinnen dienen mussten. Nur jeder zweite Entführte überlebte das Grauen im Dschungel. In mehreren Offensiven hat die ugandische Armee die LRA immer wieder attackiert und dezimiert. Trotz der Hilfe von US-Spezialkräften und eines hohen Kopfgelds ist Kony aber noch immer auf freiem Fuß.
All dies erfahren wir aus Schrifttafeln, die die Erzählung gliedern und Hintergrundwissen liefern. Auch eingeschobene Naturaufnahmen und musikalische Zwischenspiele mit sakraler Barockmusik strukturieren den überlangen Film, der einige Redundanzen aufweist.
Im Zentrum stehen vier ehemalige LRA-Kämpfer: die jungen Männer Geofrey und Mike sowie die jungen Frauen Nighty und Lapisa. Alle vier wurden mit zwölf oder 13 Jahren verschleppt und schlossen im Busch Freundschaft miteinander. Während die Jungs als Soldaten mordeten und plünderten, musste Nighty dem LRA-Chef Kony sexuell zu Diensten sein und er zeugte ein Kind mit ihr. Auch Lapisa diente im Dschungel einem LRA-Kommandeur als Sexsklavin. Nach ihrer Amnestierung durch die Regierung Ugandas versuchen die vier, ein normales Leben zu führen. Geofrey und Mike schlagen sich als Motorradtaxifahrer durch, die selbstbewusste Nighty hat sich mit einem ugandischen Soldaten zusammengetan, mit dem sie ein weiteres Kind hat. Lapisa zieht ebenfalls ein kleines Kind groß und leidet unter psychischen Störungen.
Die Kamera begleitet Geofrey, Mike und Nighty auf Fahrten zu Lagern und Orten, an denen sie gemordet haben oder Zeugen grauenhafter Massaker geworden sind. In Rollenspielen vergegenwärtigen sie ihre Erlebnisse und tauschen Erinnerungen aus. Dass ihre seelischen Verletzungen längst nicht geheilt sind, lässt sich an den albernen Plaudereien ablesen, in die das Trio häufig ausweicht. In diesen Sequenzen wird deutlich, dass die früheren LRA-Mitglieder sowohl Opfer als auch Täter sind. Denn die Ansage Konys war klar: Wer überleben will, muss jeden Befehl ausführen.
Einen eigenen Abschnitt widmet Littell Dominic Ongwen, einem der brutalsten LRA-Kommandeure und Stellvertreter Konys. Das Filmteam ist dabei, als er sich 2015 in der Zentralafrikanischen Republik dem ugandischen Militär stellt, das ihn an die Afrikanische Union übergibt. Ongwen, der mit zehn Jahren entführt wurde, hat trotz seiner Taten mit einer Amnestie gerechnet und ist konsterniert, als er erfährt, dass er sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verantworten soll.
Wie der Titel „Wrong Elements“ signalisiert, tut sich die ugandische Gesellschaft schwer damit, die früheren Kämpfer zu integrieren. Sie bleiben Fremdkörper. Aber es gibt auch Anlass zur Hoffnung: In der stärksten Filmszene bekennt Geofrey schweren Herzens gegenüber einer alten Frau, die bei einem LRA-Massaker drei Kinder verloren hat, dass es seine Einheit war, die das Blutbad angerichtet hat. Die Frau deutet an, dass sie ihm vergeben kann.
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