Erfolgsgeschichten sind in den Palästinensergebieten rar. Umso größer ist die Freude, wenn dort einem Außenseiter ein grandioser Aufstieg als Sänger gelingt. Hany Abu-Assad erzählt diese einzigartige Geschichte in einem mitreißenden Spielfilm.
Der 1961 in Nazareth geborene Regisseur Hany Abu-Assad ist mit den düsteren Sozialdramen „Paradise Now“ (2005) und „Omar“ (2013) bekannt geworden, die von den schwierigen Lebensbedingungen in den von Israel besetzten Gebieten handeln. In seinem jüngsten Film schlägt er buchstäblich leichtere Töne an. Hier erzählt er – mit künstlerischen Freiheiten – die Lebensgeschichte von Mohammed Assaf, der im Gazastreifen aufgewachsen ist und 2013 in der TV-Castingshow „Arab Idol“ gewonnen hat.
Den Schwerpunkt legt er dabei nicht auf den musikalischen Wettbewerb, sondern auf die Beziehung zwischen dem jungen Underdog und seiner Schwester Nour. In den ersten zwei Dritteln des Films schildert Abu-Assad, wie die Geschwister 2005 ihrem Traum von einer musikalischen Karriere nachjagen. Der etwa zehnjährige Mohammed hat eine brillante Stimme, seine zwölfjährige Schwester kann Gitarre spielen. Mit ihren Freunden Omar und Ahmad gründen sie eine Band und verdienen sich auf Hochzeiten ihre ersten Sporen. Doch dann bricht Nour zusammen: Sie leidet an einer Nierenkrankheit. Fieberhaft versucht der Junge, Geld zu verdienen, um eine teure Operation bezahlen zu können, die sich die Familie nicht leisten kann. Doch die tückische Krankheit ist schneller, Nour stirbt.
Sieben Jahre später hat Mohammed seinen Traum fast schon beerdigt. Er fährt Taxi, um sein Studium zu finanzieren. Als er erfährt, dass noch Kandidaten für die Vorauswahl zu „Arab Idol“ in Kairo gesucht werden, bewirbt er sich. Ermutigt wird er von der gleichaltrigen Amal, die wie früher Nour zur Dialyse in die Klinik geht. Mohammed beschafft sich ein gefälschtes Visum und überwindet am Checkpoint sogar den Widerstand eines religiösen Eiferers. Als er endlich in Kairo eintrifft, sind alle Tickets vergeben.
Parallelen zu dem britischen Wohlfühlfilm „Slumdog Millionär“ über einen 18-jährigen Laufburschen, der ein lukratives Quiz im indischen Fernsehen gewinnt, lassen sich kaum übersehen. Die Stationen bis zum Triumph handelt die Regie hier jedoch im letzten Filmdrittel eher routiniert ab, zu erwartende Rückschläge und Hindernisse inklusive. Dabei schlägt das Finale auch formal den Bogen zurück zur Realität: Die Spielszenen vom siegreichen Auftritt werden von Aufnahmen des realen Assaf abgelöst, dessen Sieg in den Palästinensergebieten eine Welle nationaler Begeisterung auslöste. Endlich konnte auch das palästinensische Volk – aller Not, Armut, Perspektivlosigkeit und Gewalt zum Trotz – einen Helden feiern, und sei es in einer kommerziellen Schlagershow.
Das größere Interesse des Regisseurs gilt aber der Passion der Kinder für die Musik und ihrem Streben nach Anerkennung. Abu-Assad setzt vor allem der burschikosen Nour ein Denkmal, der treibenden Kraft hinter der Kinderband. Mohammed konnte ihr zwar nicht mehr mit einer Spenderniere helfen, doch letztlich erfüllt er ihren großen Traum.
Über das ergreifende Familiendrama hinaus erfahren die Zuschauer eher beiläufig vieles über die bedrückenden Verhältnisse im Gazastreifen, wo der junge Mohammed Fast Food durch Geheimgänge aus Ägypten einschmuggelt und der erwachsene Mohammed mit dem Taxi an zerbombten Häuserruinen vorbeifährt. Der Abspann enthüllt, dass selbst der reale Assaf, der zum Goodwill Ambassador des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge ernannt wurde und einen Diplomatenpass hat, noch immer eine israelische Sondergenehmigung braucht, wenn er nach Gaza ein- und aus Gaza ausreisen will.
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