Als Aktivist der ersten Stunde und Mitglied afrikanischer Delegationen war der Ugander Yash Tandon bei praktisch allen Ministerkonferenzen der Welthandelsorganisation WTO seit 1997 dabei, ebenso bei der Doha-Runde 2001 und vielen anderen handelspolitischen Großereignissen. Viele Leser werden seine Lebensbilanz „Handel ist Krieg“ polemisch, altbacken marxistisch, mindestens aber übertrieben finden. An ideologischen Überhöhungen mangelt es dem Buch tatsächlich nicht. Tandon macht aber klar, dass der westliche Agrarhandel seit Jahrzehnten die Ernährungssicherung im Süden untergräbt.
Er illustriert mit zahlreichen Beispielen, dass Handelsverhandlungen vom Westen eben nicht im Geiste aufrichtiger Partnerschaft geführt werden. Nicht alle Beispiele sind für Fachleute neu. Aber niemand kann ernsthaft gegen Tandon den Nachweis führen, dass die EU-AKP-Verhandlungen von genuinem Interesse an Entwicklung statt an Marktöffnung dominiert wurden.
Auch dass westliche Industrieländer kein Interesse an der Industrialisierung Afrikas haben, scheint offenkundig. Der Mainstream angelsächsischer Entwicklungsökonomen hat dem lange Jahre ein ideologisches Korsett geliefert, welchem Tandon sein eigenes Korsett in würdevoller Starrheit gegenüberstellt. Denn auch er ignoriert ungeliebte Tatsachen. So liegt der Mangel an Industrie in Afrika nicht nur daran, dass die Industrieländer ihre Patente schützen. Auch die von Tandon geschonten nationalen Eliten machen Fehler. Zudem erreichen Entwicklungsländer in Handelsfragen durchaus Teilsiege.
Als gestandener Anti-Imperialist verteidigt Tandon Lenins Imperialismusbegriff als angemessene Beschreibung des heutigen Verhältnisses von Industrie- und Entwicklungsländern. Das und die Frage, welche Art von abhängigem Kapitalismus wir heute in Afrika finden, wären durchaus einer ernsthaften Beschäftigung wert. Mit holzschnittartigen Darstellungen aber widerlegt sich Tandon selbst, ohne es zu merken: Wo die USA, die EU und Japan über Marktöffnung überhaupt verhandeln müssen und sogar kleine afrikanische Ländergruppen ihnen auch einmal Niederlagen beibringen können, herrscht offensichtlich eine viel komplexere globale Logik. Dass ausgerechnet die Regierungen von Iran, Simbabwe, Venezuela und Kuba auf der globalen Bühne die Guten aus dem Süden sind, wird außer Tandon kaum jemand glauben. Doch seine Blicke hinter die Kulissen sind durchaus erhellend.
Neuen Kommentar hinzufügen