Die Frage, ob Demokratie und Islam zusammenpassen, gehört seit Jahren zum Standardrepertoire politik- und islamwissenschaftlicher Hauptseminare. Der Sammelband von Hamid Reza Yousefi enthält wichtige Anregungen, blendet aber zu viele Aspekte aus.
Wer rein theoretisch Demokratie und Islam gegenüberstellt, kann zu dem Schluss kommen, dass sie gut miteinander existieren können. Immerhin gilt im Islam das Prinzip der „Herrschaft der Ummah“, der Gemeinschaft aller Gläubigen. Und mit dem Schura-Rat existiert ein Beratungsgremium, das den Herrscher in der Entscheidungsfindung unterstützen soll. In der gelebten Praxis jedoch erscheinen Demokratie und Islam häufig unvereinbar.
Der Koblenzer Philosoph Hamid Reza Yousefi will den Islam nach eigenem Bekunden aus der ideologischen Schmuddelecke holen, in die ihn der westliche Demokratiediskurs zu Unrecht gedrängt hat. Als Beweis zieht er in seinem Aufsatz den Islamischen Volksprimat heran, also der besonderen Vorrangstellung, die im politischen System der Islamischen Republik Iran dem Volk zukommt. Das ist vor allem deshalb lesenswert, weil er daran die islamischen Hintergründe verschiedener Verfassungsprinzipien und Rechtsauslegungen erläutert. Westlichen Demokratietheoretikern täte es sicher gut, wenn sie ähnlich offen die kulturellen, historischen und religiösen Zusammenhänge einer Gesellschaft wahrnähmen und in ihre Analysen nicht-demokratischer Staaten einfließen ließen.
Dass Yousefi und seine Ko-Autoren allerdings gar nicht auf die Stellung der Frau, den Minderheitenschutz oder die Religionsfreiheit eingehen, ist sehr bedauerlich. Und wenn der iranische Botschafter in Deutschland, Alireza Sheikh Attar, zu dem Schluss kommt, dass die Islamische Revolution von 1979 die planvoll umgesetzte Einrichtung einer islamischen Demokratie mit Vorbildcharakter gewesen sei, dann versteht das nur jemand, der konsequent die seinerzeit geflohenen Oppositionellen und verfolgten Schah-Anhänger ausblendet.
Spätestens an diesem Punkt möchte man das Buch beiseitelegen. Wer das tut, verpasst allerdings einen sehr spannenden Aufsatz. Peter Gerdsen regt dazu an, über die Rolle der Religion in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft nachzudenken. Man muss nicht mit ihm übereinstimmen und das baldige Aussterben der Religion im Westen postulieren. Angesichts von religiös begründetem Terrorismus ist die Frage nach dem moralischen Fundament einer säkularen Gesellschaft aber wichtiger denn je. Allein wegen dieses Debattenbeitrags lohnt sich die Lektüre. Katja Dorothea Buck
Neuen Kommentar hinzufügen