Der Soziologieprofessor Ueli Mäder analysiert den Einfluss von Finanzinstituten, Verbänden und staatlichen Institutionen auf die Schweiz und den weltweiten Handel. Und fordert eine Demokratisierung der Wirtschaft.
Es sind die „Dynamiken der Macht“, die Mäder vor allem interessieren, und er bezieht sich dabei auf Max Webers Definition, nach der Macht bedeutet, eigene Interessen gegen Widerstände durchzusetzen. Im Zentrum des Buches stehen Interviews mit über 200 Personen aus Unternehmen, Finanzinstitutionen, Parteien, Politik, Justiz, Sicherheitsapparat, Denkfabriken und Medien. Mäders Team erforscht, wie viel Macht sie in der Schweiz haben, wie sie ihren Einfluss wahrnehmen und welche Rolle dabei das Geld spielt. Dabei lässt Ueli Mäder unter anderem den ehemaligen Generaldirektor des Schweizerischen Bankvereins Roland Rasi sprechen sowie Paul Feuermann, ehemals Vizedirektor der UBS, die zu den weltweit größten Vermögensverwaltern zählt. Beide beschreiben den Korpsgeist in ihren Unternehmen, den gnadenlosen Wettbewerb und die eiserne Verschwiegenheit als Garanten des Erfolgs. Und beide haben sich vom Saulus zum Paulus entwickelt, sind Aussteiger und arbeiten jetzt als Anwälte.
Als großes Risiko betrachtet der Autor die Verflechtung von Wirtschaft und Politik. So beschreibt er im Kapitel „Lobbying und Verwaltung“ die zum Teil offenen Verbindungen vieler Parlamentarier zu großen Banken und Unternehmen. Im zweiten Teil des Buches durchleuchten die Soziologen Peter Streckeisen und Gian Trepp gezielt den Bankenstaat Schweiz. Er ist nach wie vor der größte Offshore-Finanzplatz der Welt. Schweizer Banken verwalten über 2000 Milliarden Dollar, „eine Steueroase mit hoher Vertraulichkeit, aber wenig Aufsicht und Regulierung“. Wie die Autoren feststellen, ist der „alte Filz“, also die vertraute Verflechtung von Banken, staatlichen Aufsichtsbehörden und Politik, einem „globalen Netzwerk“ international agierender Konzerne gewichen.
Die Beziehungen zwischen Staat und Banken im Kontext der internationalen Finanzkrise sind Thema im Abschnitt „Glencore oder die Rhizome der Macht“. Er behandelt mit der Rohstoffbranche einen Sektor, in dem die Schweiz global eine Schlüsselrolle spielt. Denn wenngleich die meisten Rohstoffe in Lateinamerika, Afrika und Asien geschürft werden, entscheidet sich vor allem in der rohstoffarmen Schweiz, was wo abgebaut, wohin transportiert, wo verarbeitet und an wen verkauft wird. Von der Schweiz aus werden 60 Prozent des weltweiten Metallhandels und 35 Prozent des globalen Rohölhandels „orchestriert“ (Bundesamt für Justiz). Vor allem das Unternehmen Glencore Xstrata ist zu einem Sinnbild globaler Rohstoffmacht geworden. Der Rohstoffriese deckt vom Abbau bis zur Vermarktung die gesamte Wertschöpfungskette ab. Der Autor Ganga Jey Aratnam zeigt dessen verflochtene Geschäfte am Beispiel von Kongo und Sambia auf und stellt auch die kritische Gegenmacht kirchlicher Akteure und kritischer Aktivisten dar, die mehr Transparenz von Geldflüssen fordern.
Das Buch belegt, dass Politik und Wirtschaft in der Schweiz eng miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig durchdringen. Nach der Lektüre gibt es auf die Frage „Wer hat die Macht?“ eine eindeutige Antwort: das Geld. Aber nicht das „einheimische, alte“ Schweizer Geld, sondern das „internationale“ Geld.
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