Schwarzer Humor aus dem Iran

Mojgan Ataollahis Roman bricht mit dem Klischee der leidenden, aber kämpfenden Frau und inszeniert stattdessen auch mal das groteske Scheitern.

Es könnte eine Geschichte aus irgendeinem Land der Erde sein: Eine Frau wird von ihrem Ehemann misshandelt, trennt sich von ihm, das Scheidungsverfahren zermürbt sie, Beziehungen mit anderen Männern scheitern. Sie wird depressiv, will aus dem Leben scheiden. Aber dieser Roman bietet dank Mojgan Ataollahis Schreibkunst weit mehr als das. Und ist dabei keineswegs langweilig oder vorhersehbar.

Allerdings ist es nicht die Handlung, die überrascht – sie nimmt tatsächlich keine wirklich unerwarteten Wendungen. Dass die Hauptfigur des autobiografisch gefärbten Werkes ihre Suizidabsicht schließlich nicht in die Tat umsetzen wird, weiß man von vornherein. Doch fesselt Mojgan Ataollahi, die im Iran bislang lediglich einen Lyrikband veröffentlichen durfte, mit dieser weltweiten Erstpublikation gerade dadurch, dass sie das Klischee der leidenden, aber kämpfenden, der unterdrückten, aber zur Selbstbestimmung findenden Frau immer wieder bricht.

Denn mit der Selbstbestimmung tut sich die Protagonistin schwer. Sie heißt wie die 1981 geborene Autorin Mojgan und ist ebenso alt. Sie trägt ein Kopftuch, das jedoch immer wieder herunterrutscht, vor allem in unpassenden Momenten. Groteskes Scheitern begleitet sie, beginnend schon auf den ersten Buchseiten: Im Haus ihrer Eltern in Teheran, in das sie nach der Flucht vor ihrem Mann zurückgekehrt ist, will Mojgan sich das Leben nehmen. Sie sucht nach einer selbstbestimmten Todesart, die sanft und schmerzlos sein soll.  Sie probiert es mit einer „Reistablette“, einem zyanidhaltigen Schädlingsbekämpfungsmittel zum Schutz von Reisvorräten. Das vermeintliche Gift erweist sich jedoch als Grippemittel.

Mojgan beschafft sich erneut eine Reistablette, diesmal eine echte, und beschließt: „Zumindest in der Todesstunde sollte man von Störenfrieden befreit sein.“ Sie zieht sich daher in ein Haus in einer Küstenstadt zurück. Es ist eine Bruchbude, überall liegen tote Kakerlaken, die ihre Beine in die Luft strecken; viele andere der Tierchen sind noch lebendig. Mit Insektenspray kämpft Mojgan gegen die Kakerlaken. Gegen menschliche Schädlinge stellt sie jeden Abend ein Paar Männerschuhe in den Hof, um den Eindruck zu erwecken, es sei ein Mann in der Wohnung. Doch dem leichten Tod in absoluter Einsamkeit  stehen nicht nur die Schaben in ihrer Behausung und potenzielle Eindringlinge von außen entgegen, sondern auch ihre eigenen Gedanken. Es sind die „abscheulichen Erinnerungen und unmenschlichen Erfahrungen“ ihres Lebens, die nun vor ihrem geistigen Auge vorbeiziehen.

Diese Erinnerungen zeigen Mojgan als eine Person, die keineswegs immer alles passiv über sich ergehen ließ. Als Kind zum Beispiel hatte sie schwache Hände, aber auch den großen Wunsch, einem älteren Nachbarjungen, der sie immer wieder mit dem Moped verfolgte, einen Fausthieb zu versetzen. Sie stählte sich, indem sie jeden Tag mit einem Lineal auf ihre Handflächen und Handrücken schlug. Ihre Familie glaubte, es handele sich um einen Fall von Masochismus. Aber irgendwann war sie soweit, dass sie gegen eine Wand hauen und sie eindellen konnte. Und dann erwischte sie den Nachbarjungen, ihre Faust landete auf seinem Auge.

Trotz solcher Wehrhaftigkeit wird sie immer wieder Opfer von Übergriffen und Gewalt. Selbst sehr brutale Szenen sind dabei nicht ohne Situationskomik. Denn die  Autorin schildert sie mit dem ihr eigenen schwarzen Humor jenseits der Klischees, der den Roman lesenswert macht.

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