Schutz suchende Afrikanerinnen und Afrikaner fliehen nicht immer nach Europa. Viele bleiben auf dem Kontinent südlich der Sahara. Für die Wirtschaft hat das gravierende Folgen, wie dieser Sammelband zeigt.
Dem aktuellen Thema Flucht und Vertreibung widmet sich der neue Sammelband von Amanda Hammar. Die dänische Anthropologin kennt sich besonders mit Simbabwe aus. Dessen Bürgerinnen und Bürger sind wegen der politisch-ökonomischen Krise seit 2000 in großer Zahl vor staatlicher Gewalt geflohen oder haben aus Existenznot das Land verlassen.
Die Folgen für die lokale Wirtschaft zeigt die Autorin am Beispiel einer ländlichen Provinz: das Wachstum des informellen Sektors aber auch umfangreiche Geldtransfers wohlhabender Unternehmer und Regierungspolitiker ins Ausland – bis hin zum Immobilienkauf in Großbritannien, der früheren Kolonialmacht.
Zugleich überlebt ein Großteil der in Simbabwe gebliebenen Alten, Kinder und Kranken mit Hilfe von umfangreichen Geldsendungen, die Geflohene und Migranten aus England oder Südafrika in ihre Heimat schicken. Und chinesische Kredite helfen, die offiziellen Staatsausgaben zumindest ansatzweise aufzubringen.
All diese zeitgleich stattfindenden Prozesse sind Thema des Buches, dessen Autorinnen und Autoren ökonomische und soziale Beziehungsgeflechte auf unterschiedlichen Ebenen transparent machen möchten. Dabei entwerfen sie Gegenbilder zur gängigen Vorstellung von Vertriebenen als hilflosen Opfern. Und sie benennen die Profiteure. Dazu zählen Regimevertreter ebenso wie Milizenchefs, die Migration und Flucht organisieren.
Das Buch umfasst zehn Fallstudien zu unterschiedlichen afrikanischen Staaten: von Angola, Simbabwe, Kenia, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo über den Tschad und Somalia bis hin zum Senegal. Es gliedert sich in drei Teile, die Verluste und Hoffnungen angesichts ökonomischer Beschränkungen, Zerstörung und Neugestaltung der Ökonomie sowie Wirtschaftssektoren und Märkte thematisieren. Die Autorinnen und Autoren stellen anschaulich und dennoch analytisch differenziert Ergebnisse ihrer oft langjährigen Forschungen vor Ort vor.
Um gegenwärtige Prozesse in ihrer ganzen Komplexität und Widersprüchlichkeit zu erfassen, ziehen die meisten Fallstudien zeitliche Längsschnitte. Sie illustrieren langfristige Folgen kolonialer Zwangsumsiedlungen und –arbeit, lokale Dauerkrisen durch gewaltsame Konflikte sowie die große Aufgabe, ehemalige Kindersoldaten als Geschäftspartner in den informellen Sektor zu integrieren. In vielen Beiträgen kommen konkurrierende Akteure zu Wort und fordern die Leser auf, eingefahrene Standpunkte zu reflektieren. Leider ist jedoch kein afrikanischer Wissenschaftler in das interdisziplinäre Autorenteam einbezogen.
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