Zu Gast in der Essenswüste

Valentin Thurn und Stefan Kreutzberger haben eine Erkundungsreise durch Gegenwart und Zukunft der Nahrungsmittelversorgung gemacht. Der Blick hinter die Kulissen ist spannend – und oft amüsant.

Zur „harten Kost“ wurde die Recherche für die Autoren wohl spätestens dann, wenn sie ungenießbar erscheinende Speisen probieren mussten. In Thailand waren das Raupen, Heuschrecken und Wasserwanzen; in Farmen produziert, werden die Insekten dort in Supermärkten verkauft. In Charlottetown vor der kanadischen Atlantikküste gab es dann Fisch, und zwar einen ganz speziellen: Dort züchtet die US-amerikanische Firma AquaBounty hinter hohen Zäunen gentechnisch veränderten Lachs. Der „Frankenfish“ wächst doppelt so schnell wie sein naturbelassener Artgenosse. 

Das lässt sich von Fleisch, das ohne Tiere erzeugt wird, noch nicht behaupten.  Zwar können laut Forschern der Universität Maastricht aus einer tierischen Stammzelle eine Milliarde Zellen gewonnen werden – ausreichend für 10.000 Kilogramm Fleisch, ganz ohne Massentierhaltung. Doch vor einer Herstellung in Laborfabriken sind noch einige technische Probleme zu lösen. Auch der Inkubator in der eigenen Küche, in der jeder sich selbst sein Fleisch heranzüchten kann, ist noch Zukunftsmusik. Der Autor bekam aber schon einmal einen Vorgeschmack: Im Chemielabor in Maastricht bot man ihm einen Hamburger aus gentechnisch erzeugtem Fleisch an.

Der Blick hinter die Kulissen einer Agrarindustrie, die auf Chemie, Gentechnik oder Massentierhaltung setzt, ist spannend und nicht selten amüsant. Dasselbe gilt für die Reportagen über die alternative Anbaukultur.  So wird genüsslich geschildert, wie auf einem deutschen Bauernhof ein Trupp Freiwilliger mit Tropensonnenhut Kartoffelkäferlarven von Kartoffelpflanzen wedelt. Der Bauer hatte den Zeitpunkt zum Kupferspritzen verpasst, andere Mittel zur Schädlingsbekämpfung sind in der Biolandwirtschaft nicht erlaubt.

„Harte Kost“ ist das Buch für die Leser also nicht. Sie begleiten das Autorenduo bei seinen Expeditionen in die gegnerischen Lager der industriellen und der bäuerlichen Landwirtschaft. Kreuz und quer über den Globus führt die Reise: vom Insektenmillionär in Thailand zur Soja-Großfarm in Mosambik; von Kleinbauern in Malawi zum Bio-Milchbauern in Deutschland. Oder in Viertel, in denen für arme, meist schwarze Amerikaner nahrhafte Kost kaum zugänglich ist. „Food Desert“ werden solche Gegenden auch genannt. 

Der Begriff „Essenswüste“ deutet auf die ungerechte Verteilung von Lebensmitteln hin – einer der Schlüsselgedanken des Buches: Der Hunger in der Welt hat mit einer zutiefst ungerechten Verteilung von Ressourcen zu tun. Um alle Menschen ernähren zu können, muss sich vor allem die Ernährungs- und Konsumweise in den Industrie- und Schwellenländern ändern, das ist die Botschaft der Autoren. Neu ist sie nicht wirklich. Aber die zahlreichen interessanten Reportagen machen sie schmackhaft – und das Buch, trotz eingestreuter Analysekapitel mit harten und ziemlich unverdaulichen Fakten, zu einer eher leichten Mahlzeit. 

Anja Ruf

 

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