Frauen-Power im Patriarchat

Ein spektakulärer realer Fall lieferte den Stoff für den ersten langen Spielfilm des äthiopischen Regisseurs Zeresenay Berhane Mehari. Er schildert darin den riskanten juristischen Kampf von Frauenrechtlerinnen um das Leben eines minderjährigen Mädchens, das zwangsverheiratet werden sollte.

Addis Abeba im Jahr 1996: Die ehemalige Richterin Meaza Ashenafi engagiert sich als Gründerin einer Vereinigung von Anwältinnen unentgeltlich für die Rechte von Frauen und Kindern. Immer wieder legt sie sich mit den Behörden an – so auch im Fall der 14-jährigen Hirut, von dem sie im Radio hört. Das Mädchen wurde, wie ihre ältere Schwester, Ziel einer „telafa“, einer traditionellen Entführung zur Heirat.

Nachdem der 29-jährige Tadele vergeblich um Hiruts Hand angehalten hat, kidnappt er sie mit sechs anderen Männern auf dem Heimweg von der Schule. In einer Hütte schlägt und verprügelt er sie. Kurz darauf kann sie mit Tadeles Gewehr fliehen. Nach kurzer Verfolgung kreisen die Männer das Mädchen ein, das in seiner Verzweiflung den Aggressor erschießt. Die Polizei kann gerade noch einen Lynchmord verhindern. Hirut droht nicht nur die Blutrache, sondern auch die Todesstrafe. Ashenafi bringt das Mädchen in einem Waisenhaus unter und plädiert vor Gericht auf Notwehr.

Regisseur Mehari, der an der University of California Film studiert hat, wollte in seiner Heimat auf Amharisch drehen; er brauchte etliche Jahre für die Finanzierung. In seinem Drehbuch verknüpft er geschickt die beiden Erzählstränge um Hirut und die Anwältin. Ashenafis Part erweist sich als der stärkere, weil sie sich immer wieder mit Schikanen der Behörden konfrontiert sieht.

 

Hiruts Figur bleibt dagegen ziemlich passiv – sie erschrickt schon, als sie in Ashenafis Wohnung erstmals ein Telefon hört. Dazu kommt, dass Meron Getnet, eine bekannte äthiopische Schauspielerin, als Anwältin große Leinwandpräsenz zeigt. Mit ihrem Ausdrucksvermögen kann die 13-jährige Newcomerin Tizita Hagere nicht mithalten.

Das didaktische Anliegen des Films schimmert in der braven Inszenierung stets durch; die Dialoge erklären zu viel, während andere wichtige Aspekte unterbelichtet bleiben. So wird nicht gezeigt, wie der Ältestenrat, der Hirut aus dem Dorf verbannt hat, als wichtige Instanz der sozialen Kontrolle auf den Gerichtsentscheid reagiert.

Im Abspann erfährt man, dass Ashenafis Organisation zwischen 1995 und 2002 mehr als 30.000 Frauen und Kindern geholfen hat. Hiruts Fall führte dazu, dass bei Entführungen nun eine Haftstrafe von fünf Jahren droht. Die äthiopische Regierung hat das Problem offenbar erkannt; sie hat auch den Spielfilm unterstützt, der bei verschiedenen internationalen Festivals mit dem Publikumspreis ausgezeichnet worden ist. Doch wie die Sanktionen – vor allem in ländlichen Regionen – umgesetzt werden, das steht auf einem anderen Blatt.

Reinhard Kleber

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