Leise Revolten gegen den Terror

Timbuktu, Frankreich/Mauretanien 2014, Regie: Abderrahmane Sissako, 97 Minuten, Kinostart: 11. Dezember 2014

Der mauretanische Filmregisseur Abderrahmane Sissako schildert in seinem Kinofilm „Timbuktu“, wie militante Islamisten in Mali ein Terrorregime errichten. Und er zeigt, wie einfallsreich sich die Einheimischen zur Wehr setzen.

Eine Gruppe islamischer Dschihadisten hat die malische Stadt Timbuktu erobert und festigt ihre Herrschaft mit willkürlichen Vorschriften, bei denen sie sich auf den Koran berufen. Rauchen, Musizieren, Lachen und Fußballspielen sind untersagt. Frauen müssen nicht nur einen Schleier tragen, sondern auch Handschuhe und Socken. Die selbsternannten Gotteskrieger setzen Schnellgerichte ein, die teils drakonische Strafen verhängen, zum Beispiel 40 Peitschenhiebe für Gitarre spielen und singen.

Vom Treiben der unerbittlichen Religionspolizei bleibt der Viehhirte Kidane zunächst verschont, weil sein Zelt abseits von Timbuktu in den Dünen steht. Dort lebt er friedlich mit seiner Frau Satima, seiner elfjährigen Tochter Toya und dem 12-jähirgen Hirtenjungen Issam. Doch dann tötet der Fischer Amadou im benachbarten Fluss Kidanes Lieblingskuh. Wütend stellt Kidane ihn zur Rede, bei einem Handgemenge löst sich ein tödlicher Schuss. Als die Islamisten Amadous Leiche finden, stellen sie Kidane vor ein Scharia-Gericht.

„Timbuktu“ wurde bei den Filmfestspielen in Cannes uraufgeführt und avancierte schnell zum Kritikerliebling: Er gewann den Preis der Ökumenischen Jury und den François-Chalais-Preis. Weitere Auszeichnungen folgten. Kein Wunder, denn der mauretanische Regisseur, der bereits mit „Heremakono“ (2002) und „Bamako“ (2006) beim westlichen Publikum Aufmerksamkeit erregt hat, gestaltet hier eine eindringliche Hommage an den Überlebenswillen von Terroropfern.

Der 52-Jährige beschreibt, wie eine ideologisch verbrämte Diktatur errichtet wird. Dabei meidet er Stereotypen und Denunzierungen: Auch unter den muslimischen Fanatikern, die nicht selten ihre eigenen Regeln missachten, gibt es Zweifler und Menschen mit Gewissen. Das Besondere an „Timbuktu“ ist seine poetische Erzählweise. Sissako präsentiert bis auf die Schlusssequenz keine stringenten, dramatisch verdichteten Erzählbögen, sondern kombiniert viele Episoden zu einem breiten Panorama.

Das gibt ihm Gelegenheit, facettenreich das traditionelle soziale Netz zu beleuchten, das die Extremisten systematisch zerstören. Die düstere Thematik wird mit Anflügen lakonischen Humors aufgelockert – etwa, wenn die Dschihadisten, die aus unterschiedlichen Ländern stammen, auf Dolmetscher zurückgreifen müssen, um sich untereinander und mit der lokalen Bevölkerung zu verständigen.

Sissako schildert zugleich Impulse des Widerstands: Eine Marktfrau weigert sich, Handschuhe zu tragen, weil sie nicht weiß, wie sie damit die Fische säubern soll. Eine junge Frau stimmt ein Lied an, während sie ausgepeitscht wird, weil sie zuvor gesungen hat. Ein Imam weist die Fanatiker aus der Moschee, weil sie mit Stiefeln und Waffen zum Gebet kommen. Die mit Abstand stärkste Szene ist jedoch eine skurrile Fußball-Pantomime: Weil das Spiel verboten ist, kicken junge Männer auf einem Platz eben mit einem imaginären Ball. Inzwischen hat Mauretanien das Kinodrama für die nächste Oscar-Verleihung vorgeschlagen. (Reinhard Kleber)

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