Die Grenzen, die die Kolonialmächte oft willkürlich durch Afrika zogen, haben sich lange auf das politische Gefüge des Kontinents ausgewirkt. Der schwedische Filmemacher Göran Hugo Osson blickt zurück auf der Kampf der Befreiungsbewegungen.
Sein mosaikartiger Dokumentarfilm befasst sich mit der Geschichte der afrikanischen Befreiungsbewegungen und der Nationen-Bildung in den 1960er und 1970er Jahren. Wie in seinem aufsehenerregenden Vorgängerfilm „The Black Power Mixtape 1967-1975“ (2011) hat der erfahrene Dokumentarist TV-Reportagen, Interviews und Dokumentarfilme aus dem Archiv des schwedischen Fernsehens für eine detailreiche historische Rückschau zusammengetragen.
Das Besondere: Olsson kombiniert die teils unbekannten Fundstücke mit Auszügen aus dem Buch „Die Verdammten der Erde“ des französischen Psychiaters, Schriftstellers und Politikers Frantz Fanon, der 1925 in Fort-de-France auf Martinique geboren wurde und als Vordenker der Entkolonialisierung gilt.
Fanon starb 1961 mit 36 Jahren in den USA an Leukämie. In derselben Woche erschien sein Hauptwerk „Die Verdammten der Erde“, das in Frankreich sofort verboten und beschlagnahmt wurde. Darin rechtfertigt er in klaren Worten die Gewalt der Unterdrückten gegen die Gewalt der Kolonialherren. Olssen lässt zentrale Passagen der umstrittenen Schrift von der Musikerin Lauryn Hill einlesen, die als Lead-Sängerin der Popband „Fugees“ bekannt wurde.
Die 1975 geborene Amerikanerin und erste fünffache Grammy-Gewinnerin bildet die Brücke zu einem jüngeren Publikum, das den Kolonialismus nur noch aus dem Geschichtsunterricht kennt. Zusätzlich zu ihrer engagierten Präsentation auf Englisch werden einige der provokanten Postulate Fanons eingeblendet, was dem Filmessay streckenweise den Charakter eines Thesenfilms verleiht.
Ein schwedisches Missionspaar gerät ins Schlingern
Olssen präsentiert in neun Kapiteln Filmdokumente aus den Jahren 1966 bis 1984, die den Befreiungskampf unter anderem in Angola, Mosambik, Rhodesien und Guinea-Bissau beschreiben. Dazu kommt eine scharfsinnige Reportage über einen niedergeschlagenen Streik in einer schwedischen Mine in Liberia und ein Interview mit einem schwedischen Missionarspaar in Tansania, das durch kluge Fragen mehrfach ins Schlingern gerät. Der Film liefert leider keine historischen Hintergründe mit. Für den Einsatz in der Bildungsarbeit empfiehlt sich deshalb eine Einführung in die Thematik. Olssen verzichtet auch auf einen Off-Kommentar zu den Thesen Fanons, so dass sich die Zuschauer eine eigene Meinung bilden müssen.
Lohnenswert sind seine Fundstücke allemal: Etwa wenn der junge Robert Mugabe Propagandasprüche deklamiert oder Thomas Sankara, der rhetorisch hochbegabte sozialistische Offizier und Präsident Burkina Fasos, die Schattenseiten der westlichen Entwicklungshilfe analysiert. Die emotional stärkste Szene enthält der Bericht über den Krieg der Befreiungsbewegung Frelimo gegen die Kolonialherrschaft in Mosambik 1972: Eine junge Mutter, der man einen Arm abgehackt hat, stillt ihr Baby.
Der Film hat den Preis „CINEMA fairbindet“ erhalten, den das Bundesentwicklungsministerium seit 2011 im Rahmen der Berlinale vergibt. Die Auszeichnung beinhaltet den Verleih und die bundesweite Roadshow des Films. Geplant sind Veranstaltungen in mehr als 20 deutschen Städten.
Reinhard Kleber
Concerning Violence.
Nine Scenes from the Anti-Imperialistic Self-Defence
Schweden/USA/Dänemark/Finnland 2014, 91 Minuten, Kinostart: 18. September 2014
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