Homophobie in Afrika: Die Debatte entschärfen

Marc Epprecht
Sexuality and Social Justice in Africa
Rethinking Homophobia and Forging Resistance
Zed Books, London 2013,
222 Seiten, ca. 17 Euro

Angesichts der zunehmenden Homophobie in afrikanischen Ländern setzt der kanadische Professor für globale Entwicklungsstudien Marc Epprecht auf eine nüchterne Sichtweise. Er beschönigt nichts, warnt aber vor einseitigen Schuldzuweisungen.

Schwule und Lesben werden in vielen afrikanischen Ländern verfolgt und schikaniert. Als jüngstes Land hat Uganda im Februar die Strafen für Homosexuelle weiter verschärft – „Wiederholungstätern“ droht danach eine lebenslängliche Haft.  Marc Epprecht will der „offiziellen Propaganda“ von der angeblich „unafrikanischen Homosexualität“ Fakten gegenüberstellen. Sein informatives Buch verweist auf die weit verbreitete sexuelle Toleranz in den traditionellen afrikanischen Gesellschaften und zeigt auf, wie sehr Homosexualität auch dort beheimatet ist.

Epprecht berichtet über Fortschritte der vergangenen Jahre: Südafrika ist Vorreiter bei der rechtlichen Gleichstellung und Nichtdiskriminierung von Lesben und Schwulen, Mauritius und Cabo Verde haben die gleichgeschlechtliche Liebe entkriminalisiert, einige Politiker aus anderen afrikanischen Ländern befürworteten diesen Schritt. Zudem spielt Homosexualität eine zunehmende Rolle in der afrikanischen Literatur und in den Medien, viele Organisationen von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen (LGBTI) schmieden Allianzen gegen Menschenrechtsverletzungen an sexuellen Minderheiten.

Dennoch habe etwa das ugandische Gesetz eine unverhältnismäßige Negativberichterstattung in Europa und Nordamerika ausgelöst, in deren Folge mehrere Regierungen und die Weltbank Hilfen einfroren oder umwidmeten, meint Epprecht. US-Präsident Barack Obama und der britische Regierungschef David Cameron stießen Drohungen aus, der „liberale, progressive Westen“ wurde gegen „die konservativen afrikanischen Werte“ in Stellung gebracht. Der Einfluss der evangelikalen Fundamentalisten aus den USA sei einfach ausgeblendet worden, kritisiert der Autor.

Epprecht demontiert das von Teilen der entwicklungspolitischen Community und einigen afrikanischen Politikern gern bemühte Argument, LGBTI-Rechte seien ein marginales Thema, Afrika stehe vor wichtigeren Herausforderungen. Spätestens der Feminismus und die Ausbreitung von Aids hätten dafür gesorgt, dass sexuelle Rechte als entwicklungspolitisches Thema begriffen werden müssen. Fragen der Sexualität und Geschlechtergerechtigkeit beeinflussten die politische und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes.

Die Rolle westlicher Aktivisten ist oft destruktiv

Die LGBTI-Politik der Regierung Obama habe einen derart großen Druck auf Staaten wie Uganda oder Nigeria ausgeübt, dass die Verschärfung des homophoben Strafrechts auch im Kontext eines antiimperialistischen Abwehrkampfes („Afrika den Afrikanern“) gesehen werden müsse, erklärt Epprecht. Die Rolle westlicher Aktivisten sei oft destruktiv, da sie das Vorurteil vom chaotischen, dunklen Afrika zementierten, anstatt weltwirtschaftliche Strukturen und sozioökonomische Ungerechtigkeiten zu kritisieren, die ein Nährboden für Homophobie in Afrika seien.

Epprecht plädiert für mehr Besonnenheit in der Lobbyarbeit gegenüber Afrika. Das westliche Erfolgsmodell dürfe nicht überbewertet und den Afrikanern aufgezwungen werden – schmerzliche Worte angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen in Uganda und Nigeria.

Epprecht verweist auf die afrikanische Lebensphilosophie (Ubuntu) und die traditionellen Religionen, die der erstarkenden Homophobie Werte wie Mitmenschlichkeit, Gemeinsinn, Verantwortungsgefühl und Respekt entgegensetzen könnten. Die darin wurzelnden antikolonialistischen und antirassistischen Traditionen seien zudem ein vielversprechendes Instrumentarium im Kampf gegen den Import evangelikaler, fundamentalistischer Menschenfeindlichkeit.

Denn dies sei nichts anderes als eine Wiederkehr des homophoben Gedankenguts, das europäische Missionare dem afrikanischen Kontinent im 19. Jahrhundert bescherten. Epprechts Buch ist eine lohnende Lektüre, es gibt Antworten auf viele Fragen und eröffnet neue Sichtweisen.

Klaus Jetz

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