Pankaj Mishra
Aus den Ruinen des Empires. Die Revolte gegen
den Westen und der Wiederaufstieg Asiens
Fischer-Verlag, Frankfurt a. Main 2013, 441 Seiten, 26,99 Euro
Pankaj Mishra schildert die Emanzipation Asiens von der Vorherrschaft des Westens. Dafür greift er auf die Biografien von drei Vordenkern des Antikolonialismus zurück: Ein guter Einstieg in die Geschichte des Kontinents.
Der Autor ist ein Wanderer zwischen den Welten. Geboren 1969 in Nordindien, lebt er heute in London und am Rande des Himalaya, schreibt regelmäßig für Publikationen wie die „New York Review of Books“ und den „New Yorker“ über Indien, Afghanistan und China. Darin gleicht Mishra den drei Hauptprotagonisten in seiner Geschichte Asiens, die den Leser vom Ende des 18. Jahrhunderts in die unmittelbare Gegenwart führt.
Das Buch setzt ein mit der Seeschlacht zwischen Japan und Russland im Jahre 1905, aus der Japan siegreich hervorging. Nach Jahrzehnten der Demütigung und Kolonisierung durch den Westen begriffen viele Asiaten den Triumph über eine europäische Macht als Fanal für die Stärke und Widerstandskraft ihres Kontinents. Die Kunde vom Sieg der Japaner verbreitete sich rasant in so unterschiedlichen Ländern wie Ägypten, Persien und China und motivierte eine ganze Generation, für nationale Unabhängigkeit zu kämpfen.
Anhand der Biographien dreier Männer – Jamal al-Din al Afghani aus Persien, Liang Qichao aus China, Rabindranath Tagore aus Bengalen – schildert Mishra das Erwachen der arabischen und asiatischen Welt aus einer langen Zeit der immer auch rassistisch motivierten Vorherrschaft des Westens. In seiner ganzen Ambivalenz bringt er auf unterhaltsame Weise das Schwanken dieser Vordenker des Antikolonialismus zwischen Erneuerung und Tradition, zwischen der Errichtung eines Gottesstaates und einem laizistischen Staatsverständnis nahe.
Die eurozentristische Geschichtsschreibung wird in Frage gestellt
Dem Autor gelingt mit seinem Buch ein eindrucksvoller Perspektivwechsel, der die eurozentristische Geschichtsschreibung in Frage stellt. Er zeigt zugleich auf, dass die Länder Asiens und Arabiens seit mehr als vier Jahrhunderten Teil der globalen Welt sind und im regen – meist ungleichen – Austausch mit dem Westen standen. Heute ist bekanntlich die Hegemonie des Westens durch den rasanten Aufstieg Chinas und Indiens erheblich ins Wanken geraten. „Aus den Ruinen des Empires“ entstanden im Osten neue Mächte, die in Zukunft auch politisch die Geschicke des Globus mitgestalten werden.
Das Fazit im abschließenden Teil des Buches klingt alles andere als optimistisch: Das erste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts sei bereits durch den Krieg gegen den Terrorismus verunstaltet worden, resümiert Mishra. „Im Rückblick jedoch könnte er sich als bloßes Vorspiel zu größeren und blutigeren Konflikten um wertvolle Rohstoffe und Erzeugnisse erweisen, auf die in Modernisierung begriffene wie auch bereits moderne Volkswirtschaften angewiesen sind.“
Wer mehr über die wechselvolle Geschichte Asiens erfahren möchte, wird die kommentierte Bibliographie, in der Mishra seine Hauptquellen offenlegt, zu schätzen wissen. Als Einstieg in die Geschichte des Kontinents und zum Verständnis von heutigen Entwicklungen ist sein Buch von hohem Wert.
Ruben Eberlein
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